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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Totenstille. Unter dem Schutz der bewaffneten Macht klopfte Vimeux dieses Mal frech mit beiden Fäusten an. Nichts antwortete. Die Gendarmen mußten sich einmischen, erschütterten mit Kolbenhieben das alte Tor. Eine lange Schlange von Männern, Frauen und Kindern war ihnen gefolgt. Ganz Rognes stand da in Erwartung der angekündigten Belagerung. Und jäh öffnete sich das Tor wieder, man erblickte Geierkopf, der vorn in seinem Wagen stand, auf sein Pferd einpeitschte, im Galopp herausfuhr und stracks auf die Menge zustieß. Inmitten von Schreckensschreien rief er:
    »Ich ersäuf mich! Ich ersäuf mich!« Alles war futsch, er schrie, er mache dem ein Ende, er stürze sich samt seinem Wagen, seinem Pferd, samt allem in den Aigre! »Platz da! Ich ersäuf mich!«
    Entsetzen hatte die Neugierigen angesichts der Peitschenhiebe und des rasenden Tempos des Wägelchens auseinandergejagt. Aber als er über den Abhang preschte, daß die Räder krachten, rannten Männer hin, um ihn aufzuhalten. Dieser verdammte Dickkopf war durchaus imstande, kopfüber hineinzuspringen, bloß um die andern zu ärgern. Man holte ihn ein, man mußte kämpfen, dem Pferd an den Kopf springen, in den Wagen klettern. Als man Geierkopf zurückbrachte, sagte er kein Sterbenswörtchen mehr, biß die Zähne zusammen, war steif und starr am ganzen Leibe und ließ im stummen Protest seiner ohnmächtigen Wut das Schicksal seinen Lauf nehmen.
    In diesem Augenblick brachte die Große Françoise und Jean, damit sie das Haus in Besitz nahmen. Und Geierkopf begnügte sich, ihnen mit dem finsteren Blick, mit dem er nun das Ende seines Unglücks verfolgte, ins Gesicht zu sehen. Aber nun war Lise an der Reihe zu schreien, sich zu wehren wie eine Verrückte. Die Gendarmen standen dabei und sagten immer wieder zu ihr, sie solle ihre Bündel schnüren und Leine ziehen. Sie mußte halt gehorchen, da ihr Mann feige genug war, sie nicht zu verteidigen, und er nicht mal dreinschlug. Die Fäuste in die Hüften gestemmt, fiel sie über ihn her:
    »Hundsfott, du läßt zu, daß man uns auf die Straße setzt! Dir ist wohl das Herz in die Hosen gefallen, daß du nicht auf diese Schweine da einhaust ... Geh mir doch, du Feigling, du Feigling! Du bist ja kein Mann mehr!«
    Als sie ihm das, außer sich über seine Reglosigkeit, ins Gesicht schrie, stieß er sie schließlich so derb zurück, daß sie dabei aufheulte. Aber er trat nicht aus seinem Schweigen heraus, er hatte für sie nur seinen finsteren Blick.
    »Los, Mutter, beeilen wir uns«, sagte Vimeux triumphierend. »Wir gehen erst wieder weg, wenn ihr den neuen Besitzern die Schlüssel ausgehändigt habt.«
    Von da an begann Lise in einem jähen Anfall von Raserei auszuräumen. Seit drei Tagen hatten sie und Geierkopf bereits viele Sachen, die Werkzeuge, die großen Gerätschaften, zu ihrer Nachbarin, der Frimat, gebracht; und es wurde einem klar, daß sie immerhin auf die Ausweisung gefaßt waren, denn sie hatten sich mit der alten Frau geeinigt, die, um ihnen Zeit zu lassen, sich nach etwas anderem umzusehen, ihnen ihr Heim, das ihr zu groß war, vermietete und für sich dabei lediglich die Stube ihres gelähmten Mannes zurückbehielt. Da die Möbel zusammen mit dem Hause verkauft worden waren und die Tiere auch, brauchte Lise nur ihre Wäsche, ihre Matratzen und andere unbedeutende Dinge wegzuschaffen. Alles wirbelte durch die Tür und die Fenster bis mitten auf den Hof, während ihre beiden Kleinen weinten, weil sie glaubten, ihr letztes Stündlein habe geschlagen; Laure hatte sich an Lises Röcke gekrallt, und Jules hatte sich lang hingelegt, mitten in diesen ausgeräumten Sachen, in denen er sich wälzte. Da Geierkopf ihr nicht einmal half, fingen die Gendarmen, brave Leute, an, die Bündel in den Wagen zu laden.
    Aber alles wurde noch schlimmer, als Lise Françoise und Jean erblickte, die hinter der Großen warteten. Sie stürzte sich auf sie, sie ließ die angestaute Woge ihres Grolls los.
    »Oh, du Sau, du bist mit deinem Saukerl zusehen gekommen! Du siehst unseren Kummer. Es ist, als ob du unser Blut austrinkst ... Diebin, Diebin, Diebin!« Sie schrie sich heiser an diesem Wort, sie kam zurück, um es ihrer Schwester jedesmal zuzuschleudern, wenn sie einen neuen Gegenstand in den Hof brachte.
    Françoise antwortete nicht, war sehr blaß, ihre Lippen waren dünn geworden, ihre Augen brannten; und sie tat, als sei sie ganz mit der kränkenden Aufpasserei beschäftigt, schaute den Sachen nach, um zu sehen, ob man ihr

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