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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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zu; und das Haus schien wiederum leer zu sein.
    Auf den Wiesen am Ufer des Aigre hatten Jean und seine beiden Heumacherinnen mit dem ersten Schober begonnen. Françoise kletterte hinauf. Sie stand in der Mitte auf einem Bündel und schichtete das Heu im Kreis auf, das ihr der junge Mann und Palmyre mit den Forken hochreichten. Und nach und nach wurde der Schober größer, wurde höher; sie stand immer noch mitten drin und legte sich in der Mulde, in der sie sich befand, Packen Heu unter die Füße, wenn ihr die Mauer rings um sie bis zu den Knien reichte. Der Schober nahm Gestalt an. Schon war er zwei Meter hoch; Palmyre und Jean mußten ihre Forken emporstrecken; und die Arbeit ging unter lautem Gelächter vonstatten, weil sie ihre Freude an der frischen Luft hatten und sich im Duft des Heus Dummheiten zuriefen. Vor allem Françoise, der ihr Taschentuch vom Haarknoten gerutscht war und die mit bloßem Kopf und flatternden, mit Gras verfitzten Haaren in der Sonne stand, freute sich wie ein Schneekönig auf diesem schwankenden Haufen, darin sie bis zu den Schenkeln badete. Ihre nackten Arme versanken, jeder von unten hochgeworfene Packen deckte sie ein mit einem Regen von Halmen, sie verschwand, tat, als ginge sie unter in den Strudeln.
    »Au, au, das pikt mich!«
    »Wo denn?«
    »Hier oben unter meinem Rock.«
    »Das ist eine Spinne, halt sie gut fest, kneif die Beine zusammen!«
    Und sie lachten, ließen gemeine Worte vom Stapel, bei denen sie sich kugelten.
    In der Ferne beunruhigte sich Delhomme darüber, und ohne daß er aufhörte, seine Sense vorzuschleudern und wieder heranzuholen, wandte er einen Augenblick den Kopf. Ach! Diese Göre, die mußte ja was Rechtes schaffen bei der Arbeit, wenn sie so herumspielte! Heutzutage verwöhnte man die Mädchen, sie arbeiteten nur zum Spaß. Und er machte weiter, legte mit eiligen Sensenhieben die Schwaden hin und ließ einen kahlen Streifen hinter sich.
    Die Sonne sank am Horizont, die Schnitter verbreiterten ihre Mahdstreifen noch.
    Victor, der nicht mehr dengelte, beeilte sich jedoch nicht gerade, und da Bangbüx mit ihren Gänsen vorbeikam, entwischte er heimlich, er schlich davon, um sie dort einzuholen, wo sie durch eine dichte Reihe Weiden, die den Fluß säumten, geschützt waren.
    »Gut!« rief Jean. »Er geht wieder schleifen. Die Schleiferin ist da und wartet auf ihn.«
    Françoise brach bei dieser Anspielung von neuem in Gelächter aus.
    »Er ist zu alt für sie.«
    »Zu alt! – Horch doch, ob sie nicht zusammen schleifen!«
    Und mit einem Pfeifen der Lippen machte er das Geräusch des Schleifsteins, der die Schneide einer Klinge wegfraß, so gut nach, daß selbst Palmyre, die sich den Bauch hielt, als krümme sie sich unter Leibschneiden, sagte:
    »Was ist denn heute bloß mit Jean los? Er ist so zu Schabernack aufgelegt!«
    Das Heu wurde mit der Forke immer höher geworfen, und der Schober wuchs. Sie scherzten über Lequeu und Berthe, die sich schließlich gesetzt hatten. Vielleicht ließ sich Nichtsistdran auf Abstand mit einem Strohhalm kitzeln; und dann konnte der Schulmeister losschieben, denn für ihn wurde das Brötchen bestimmt nicht gebacken.
    »Ist der aber ein Schweinigel!« sagte Palmyre immer wieder, die sich nicht zu lassen wußte vor Lachen und der die Luft wegblieb.
    Da hänselte Jean sie.
    »Dabei seid Ihr zweiunddreißig Jahre alt geworden, ohne daß Ihr Euch das Feigenblatt von unten beguckt habt!«
    »Ich, niemals!«
    »Was? Kein Bursche hat Euch genommen? Ihr habt keinen Liebsten?«
    »Nein, nein.«
    Sie war ganz blaß und sehr ernst geworden, mit ihrem langen Elendsgesicht, das bereits verwelkt und abgestumpft war von der vielen Arbeit und das nur noch die Augen einer gutmütigen Hündin hatte, Augen von reiner und tiefer Ergebenheit. Vielleicht durchlebte sie noch einmal ihr jammervolles Leben ohne Freundschaft, ohne Liebe, das Dasein eines Lasttiers, das abends todmüde mit Peitschenhieben zum Stall geführt wird; und sie hielt inne, stand da, die Fäuste auf ihrer Forke, die Blicke in die Ferne gerichtet, in diese Flur, die sie noch nie gesehen hatte.
    Es entstand Schweigen, Françoise lauschte reglos oben auf dem Heuschober, während Jean, der auch verschnaufte, weiter spaßte und zögerte, zu sagen, was ihm auf der Zunge lag. Dann entschloß er sich und ließ alles raus.
    »Das sind also Schwindeleien, was man erzählt, daß Ihr mit Euerm Bruder schlaft?«
    So blaß Palmyres Gesicht auch war, es wurde purpurrot von einer Woge Blut,

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