Die Erde
seiner eigensinnigen und gutmütigen Miene herzu und hielt ihn auf.
»Verzeihung, Herr Abgeordneter. Die arme Kirche hier ist in einem derartigen Zustand! – Ich möchte sie Ihnen zeigen; Sie müssen Ausbesserungen dafür erwirken. Auf mich hört man ja nicht ... Kommen Sie, kommen Sie, ich bitte Sie.«
Sehr verdrossen sträubte sich der alte Stutzer, aber Hourdequin, der eben von Macqueron erfuhr, daß mehrere Gemeinderäte in der Bürgermeisterei waren, wo sie seit einer halben Stunde auf ihn warteten, sagte als Mann, der sich keinen Zwang antut:
»Das ist richtig, gehen Sie sich doch die Kirche ansehen ... So schlagen Sie die Zeit tot, bis ich fertig bin und Sie mich wieder nach Hause bringen.«
Herr de Chédeville mußte dem Abbé folgen. Die, Gruppen waren größer geworden, mehrere setzten sich in Bewegung, blieben ihm auf den Fersen. Man faßte sich ein Herz, alle gedachten ihn um irgend etwas zu bitten.
Als Hourdequin und Macqueron drüben in den Saal der Bürgermeisterei hochgegangen waren, fanden sie dort drei Gemeinderäte vor, Delhomme und zwei andere. Der Saal, ein geräumiges, mit Kalk getünchtes Zimmer, enthielt als einzige Möbel einen langen Tisch aus Fichtenholz und zwölf Stühle mit Strohgeflecht; zwischen den zwei Fenstern, die zur Straße hinausgingen, war ein Schrank in die Wand eingebaut, in dem das Archiv aufbewahrt wurde, vermengt mit allen möglichen Verwaltungsunterlagen; und rings an den Wänden waren auf Brettern leinene Feuereimer übereinandergestapelt, das Geschenk eines Bürgers, mit dem man nicht wußte wohin und das hier blieb, im Wege herumstand und nutzlos war, denn man hatte keine Pumpe.
»Meine Herren«, sagte Hourdequin höflich, »ich bitte Sie um Entschuldigung, ich mußte mit Herrn de Chédeville zu Mittag essen.«
Keiner rührte sich, man wußte nicht, ob sie diese Entschuldigung gelten ließen. Sie hatten durchs Fenster gesehen, wie der Abgeordnete ankam, und die bevorstehende Wahl bewegte sie, aber es taugte zu nichts, zu rasch darüber zu reden.
»Zum Teufel!« erklärte der Hofbesitzer. »Wenn wir nur fünf sind, können wir keine Entscheidung treffen.«
Glücklicherweise trat Lengaigne ein. Zuerst hatte er beschlossen, nicht zur Gemeinderatssitzung zu gehen, weil ihn die Angelegenheit mit dem Weg nicht interessierte; und er hoffte sogar, daß seine Abwesenheit die Abstimmung verhindern werde. Da ihn aber Herrn de Chédevilles Ankunft vor Neugier auf die Folter spannte, hatte er sich dann doch entschlossen hochzugehen, um etwas zu erfahren.
»Gut! Jetzt sind wir sechs, wir können abstimmen«, rief der Bürgermeister.
Und da Lequeu, der das Amt des Schriftführers versah, mit rauher und mürrischer Miene, das Protokollbuch unter dem Arm, aufgetaucht war, stand der Eröffnung der Sitzung nichts mehr im Wege. Aber Delhomme hatte angefangen, leise mit seinem Nachbarn zu plaudern, mit Clou, dem Hufschmied, einem groben, dürren und schwarzen Mann. Als man ihnen zuhörte, schwiegen sie. Dennoch hatte man einen Namen aufgeschnappt, den Namen Herrn Rochefontaines, des unabhängigen Kandidaten; und nachdem sie einander abgetastet hatten, fielen sie dann alle mit einer Bemerkung, einem Grinsen, einer einfachen Grimasse über diesen Kandidaten her, den man nicht einmal kannte. Sie waren für die gute Ordnung, die Aufrechterhaltung der Dinge, den Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, die den Absatz gewährleistete. Hielt sich dieser Herr da für stärker als die Regierung? Würde er den Getreidepreis auf dreißig Francs pro Doppelzentner hinauf setzen? Das war eine ganz schöne Dreistigkeit, Werbeschriften zu verschicken, mehr Butter als Brot zu versprechen, wenn einem an nichts und niemand lag. Sie gingen soweit, ihn als Abenteurer zu bezeichnen, als einen unehrenhaften Mann, der die Dörfer abklapperte, bloß um ihre Stimmen zu stehlen, wie er auch am liebsten ihre Sous gestohlen hätte. Hourdequin, der ihnen hätte erklären können, daß Herr Rochefontaine als Anhänger des Freihandels im Grunde dieselben Ansichten wie der Kaiser vertrat, ließ gern zu, daß Macqueron seinen bonapartistischen Eifer zur Schau stellte und Delhomme sich mit dem gesunden Menschenverstand eines beschränkten Mannes äußerte, während Lengaigne in seiner Stellung als Tabakhändler49 den Mund hielt, seine verschwommenen republikanischen Ideen hinunterschluckte und in einer Ecke vor sich hin brummelte. Obwohl Herrn de Chédevilles Name nicht ein einziges Mal fiel, wies alles, was gesagt
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