Die Erdfresserin
Augenringe. Die Augen sind nicht schön, geschwollene Lider und eine undefinierbare Farbe, ich mag solche Augen nicht, sie sagen nichts aus. Ich will wissen, mit wem ich es zu tun bekomme. Er geht auf mich zu, was er noch nie getan hat, und gibt mir die Hand. Das Treffen gemahnt immer mehr an ein Geschäftstreffen. Irgendetwas entgleist unwiederbringlich.
»Das ist Frau Baumgartner.«
»Interessant.«
»Frau Baumgartner, das ist Diana.«
»Hallo«, sagt Frau Baumgartner sehr laut und streckt mir eine sehnige, braungebrannte Hand hin, ich ergreife sie, und sie drückt mit aller Gewalt zu, sodass meine Finger aneinander knacken. Sie grinst, während es knackt.
Ich sehe ihn fragend an.
»Ich dachte, nach all unseren Vorgesprächen sollten wir uns zu dritt treffen«, erklärt er. »Frau Baumgartner ist unsere Sozialarbeiterin hier.«
Er tätschelt ihre grün bezogene Schulter.
»Ich denke, Sie können viel mit ihr besprechen. Und dann sehen wir weiter.«
»Gut«, sage ich und denke an Anna. Mein Vorschlag hat tatsächlich etwas bewirkt.
»Dr. Petersen hat mir in groben Zügen Ihr Problem geschildert«, sagt sie.
»Ach, hat er das.«
»Wollen Sie sich nicht setzen? Ist doch gemütlicher.«
Ich setze mich artig zu ihr, sie hockt auf einem zusätzlichen Stuhl, den sie ins Zimmer geschafft haben. Zwischen ihm und der Dolmetscherin. Sie sind nun drei gegen eine. Sie hockt am äußersten Rand und der Stuhl kippt immer wieder nach oben, und sie fängt ihn mit ihren Füßen in flachen Turnschuhen ab. Sie hat auch eine Mappe mitgebracht, alle haben sie ihre Mappen, ohne die wären sie im Gewirr der Krankenhausgänge und Krankheitsverläufe wohl rettungslos verloren.
»Gehen wir mal die wichtigsten Punkte durch. Sie sind ja … nicht gesetzlich geregelt hier«, beginnt Frau Baumgartner. »Das ist ein Problem, vor allem für viele Integrationsschritte oder überhaupt Niederlassungsmöglichkeiten.«
»Ich würde es gerne regeln.«
»Das kann ich gut verstehen, Frau Diana. Aber das ist nicht ganz einfach. Im Augenblick würden Sie in dem Moment, in dem Sie dieses Haus verlassen, in Schubhaft gebracht und dann abgeschoben.«
Ich sehe ihn gehetzt an, er macht eine undefinierte Bewegung mit seiner gepflegten Hand.
»Wir können natürlich versuchen, Ihren Status zu ändern, wenn es möglich ist. Erzählen Sie mir doch ein wenig von sich.«
»Sehen Sie doch in dem Akt nach«, lächle ich. Ich will nicht noch einmal von vorne beginnen.
»Was würden Sie denn gerne machen, wenn Sie arbeiten würden?«
»Irgendwas. Putzen.«
»Waren Sie nicht …«
»Ja. War ich. Das hat mich nicht sehr glücklich gemacht.«
Sie seufzt und blättert.
»Wir können selbstverständlich einen Asylantrag stellen. Aber wir brauchen einen Grund. Und dann ist keineswegs klar, wie die Sache ausgeht. Früher dauerte so was sehr lange, bis zu sechs Jahre …«
»Das ist okay«, sage ich. »Wenn ich einfach nur arbeiten könnte.«
Sie sieht mich an, als ob ich vom Mond gefallen wäre, und schüttelt langsam den Kopf. Ich hasse ihre Augen.
»Das geht überhaupt nicht. Sie können erst arbeiten, wenn Sie einen positiven Bescheid bekommen.«
»Ich muss Geld verdienen. Meine Familie wartet.«
»Mittlerweile geht so etwas schneller. Ein, zwei Jahre.«
»Verstehen Sie nicht? Meine Familie braucht das Geld jetzt.«
»Ich verstehe alles, Frau Diana. Aber ich kann nichts ändern.«
Ich schweige.
Er sagt: »Aber Sie erwähnten doch, Frau Baumgartner, dass wir diesen Antrag auf alle Fälle stellen könnten, dann wäre der Aufenthalt zumindest vorübergehend gesichert.«
»Dann dürfte sie trotzdem nicht arbeiten. Nur als Tänzerin in Bars.«
Ich muss lachen. Er ist pikiert.
»Das ist völlig ausgeschlossen und keine Option für uns«, sagt er entschieden.
Sie seufzt erneut, wahrscheinlich über so viel Begriffsstutzigkeit.
»Wir brauchen einen guten Grund, damit das durchgeht. Schauen Sie … Sie kommen aus keinem Kriegsgebiet …«, meint sie dann.
»Frau Baumgartner, die Lebenssituation von Frau Diana habe ich aber zuvor schon geschildert. Nicht.«
Sie dreht sich ruckartig zu ihm um. Ihre Ohrringe klimpern und schwingen noch eine ganze Weile nach.
»Das haben Sie, aber ich soll ja eine Lösung für diese Situation finden, was ein wenig hoch gegriffen ist.«
Er räuspert sich und schweigt. Ich empfinde das als ersten Verrat.
Sie wendet sich wieder mir zu: »Sie gehören nicht einmal einer ethnisch verfolgten Minderheit an. Das ist ein
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