Die Erfinder des guten Geschmacks
Provinzstadt Valence ein Luxuslokal geschaffen, das ebenfalls unweit von der viel besungenen Nationale 7 lag. Das Geschäft lief – doch Jacques sah schon als Jugendlicher, wie vergänglich der Ruhm großer Köche ist: Als André Pic 1946 den dritten Stern des Michelin verlor, ging es mit ihm gesundheitlich bergab. Er war erschöpft, konnte nicht mehr längere Zeit am Pass stehen oder die Küche überwachen. Sohn Jacques bereitete sich auf eine Laufbahn als Automechaniker vor. Erst als auch der zweite Stern fiel, entschied er sich, seinem Vater zu assistieren. Bei Point und Dumaine bewarb er sich vergebens. Schließlich lernte er in Genf, Beaulieu, Deauville und leistete seinen Militärdienst in Algerien ab.
Die Anfänge in Valence waren holprig: Vater und Sohn als Küchenchef? Zwei Chefs sind einer zu viel.
Erst nach seiner Hochzeit mit Suzanne 1957 übernahm er das Lokal wirklich und kochte zunächst die Spezialitäten des Vaters wie Krebsschwanzgratin oder in der Schweinsblase gegarte Poularde. Jacques Pics Küche blieb großzügig und bukolisch – nouvelle war sie nur in der Presse, und dort auch nur gelegentlich. Pic glaubte nicht an die Nouvelle Cuisine, doch seine Freundschaft zu Bocuse riss ihn mit. Bei ihm gab es Trüffel in Blätterteig, einen großzügigen Fischersalat mit Hummer, Krabben, Jakobsmuscheln, Krebsen und Trüffeln sowie ein Filet vom pochierten Seewolf, in einer weißen Sahnesauce, über und über bedeckt mit feinstem Kaviar. Es gab – und gibt – Gäste,die nur wegen dieses Gerichts nach Valence pilgern. Wie seine Kollegen erhielt er Angebote aus der halben Welt. Als er 1970 die »Charles-Jourdan«-Boutique in New York eröffnete, ließ er Flusskrebse einfliegen. Die Schweinsblasen für das Poulardenrezept hätten dem Zoll verdächtig vorkommen können, Pic schnallte sie sich kurzerhand unter sein Hemd.
Jacques gewann die Michelin -Sterne zurück, doch der permanente Stress und Druck könnten zu viel für ihn gewesen sein. Im Alter von nur 59 Jahren erlitt er in der Küche einen Herzinfarkt.
Sohn Alain übernahm die Küche, schaffte es jedoch nicht, den Schatten des großen Vaters zu verlassen. Schließlich übernahm Jacques Tochter Anne-Sophie die Küche. Madame hatte eine Handelsschule besucht und nie selbst am Herd gestanden – heute gilt sie als beste Köchin Frankreichs. Und das Seewolffilet mit der satten Portion Kaviar ziert noch immer die Karte.
Wo die Deutschen essen lernten
»Ehrenbandenmitglieder« der Nouvelle Cuisine wurden neben Pic zwei weitere Köche, die sich der Tradition näher fühlten als den Neuerungen um jeden Preis. Raymond Thuilier (1897-1993), ein ehemaliger Versicherungsmanager, setzte 1945 das Dörfchen Les Baux auf die kulinarische Landkarte. Kulinarische Erfahrungen hatte er bisher nur als Gast gesammelt. Doch Thuilier entwickelte sich zum Könner. Die Welt pilgerte zum Speisen nach Les Baux: Bogart und Bocuse kamen ebenso wie Churchill und Cocteau, Edith Piaf und Picasso, bestellten Spargel der Provence in Sauce Mousseline, Rotbarben mit Basilikum, Lammkeule in der Teigkruste oder soufflierte Crêpes.
Paul Haeberlin (1923-2008) von der Elsässer Auberge de l’Illhingegen war der Mann, der den Deutschen nach dem Krieg das Schlemmen wieder nahebrachte. Zu Bocuse oder Guérard war es weit, die Auberge de l’Ill lag direkt vor der Grenze. Dort genossen Franzosen und Deutsche soufflierten Lachs oder Brioche mit Foie gras. Fast nebenbei lernte er dann auch noch Eckart Witzigmann an, über den Haeberlin neidlos sagte, dass »der Schüler den Meister übertroffen« habe. So jedenfalls steht es im Vorwort zu Witzigmanns Buch La nouvelle cuisine allemande et autrichienne .
Und ein Meister, das war er: Als kleiner Junge half Paul Haeberlin seiner Tante Henriette beim Zubereiten der Fischsuppe. Die Lehre absolvierte er bei Edouard Weber, dem ehemaligen Leibkoch des Zaren. Sein Bruder Jean-Pierre gab die Arbeit in einem Architekturbüro auf, um mit ihm aus der alten Familienauberge eines der schönsten Restaurants des Landes zu machen. Voilà, les Frères Haeberlin!
Nie schloss sich Paul irgendwelchen Küchenmoden an, nie tischte er effektheischende Endlos-Menüs auf. Paul Haeberlin kochte einfach nur das, was schmeckte. So hat er einige großartige Rezepte geschaffen und einige weitere in die Gegenwart gerettet: Trüffel in der Asche, Froschschenkel-Mousseline oder Hummer Prinz Vladimir, der von Paul auf diesen Namen getauft wurde.
Die »Trüffelsuppe
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