Die Erfinder des guten Geschmacks
Sous-Vide-Garung, gegen 1977.«
Tatsächlich wurde diese Gartechnik, die viele Köche heute als besonders »modern« empfinden, zuerst hier in Roanne eingesetzt. Georges Pralus, ein Küchenchef aus einem Nachbarort, hatte die amerikanische Technik der Vakuumverpackung mit der französischen Garmethode in einer Verpackung ( en papillotte oder en vessie , »in der Schweinsblase«) kombiniert. Den Brüdern Troisgros zeigte er, wie man Foie gras mit minimalem Gewichtsverlust bei niedrigen Temperaturen gart.
So gab es bei den Troisgros wirklich eine »neue Küche«, nämlich einen vollkommen neuen, funktionell gestalteten Arbeitsplatz mit den damals modernsten Geräten, der 1976 eine beträchtliche Investition darstellte.
Im Jahr 1983 starb Jean Troisgros nach einer Partie Tennis. Pierre führte das Haus erfolgreich weiter, gefolgt von seinemSohn Michel, der die Küche modernisierte. Inzwischen steht Enkel César am Herd.
Etliche heute berühmte Köche haben bei Jean und Pierre Troisgros gelernt, ihre wohl bekanntesten Schüler waren Bernard Loiseau, Marc Haeberlin, Guy Savoy, Jean-Michel Lorain und Gérald Passédat.
Die Brüder Troisgros kochten nicht nur gerne, sie aßen auch gern die eigenen Gerichte. Heute ist das nicht mehr selbstverständlich.
Fluchen, bis der Stern kommt
Und wie die Nationale 7 Paris mit der Côte d’Azur verband, so fanden sich auch im Süden zwei Helden der Nouvelle Cuisine:
Zunächst einmal Louis Outhier (*1930), ein Mitglied der Brigade der Pyramide. Der Sohn eines Müllers der Region Franche-Comté lernte im Tonneau d’Or in Belfort, dessen KüchenchefDenis Michaland schon für das britische Königshaus gearbeitet hatte. Nach dem Ableben Michalands wechselte er zu Fernand Point, dem Lehrmeister der »Generation Nouvelle Cuisine«. »Point […] hatte verstanden, dass die Küche am Ende eines Zyklus angekommen war«, erläuterte er 2012 gegenüber Nicolas Chatenier. »Die Küche von Escoffier war konzipiert, um die ›Reise der Gerichte aus den Küchen der Palasthotels‹, die oft im Keller lagen, in den Speisesaal zu vertragen.« Mindestens 250 Meter wären das gewesen, die »klebrigen Saucen« hätten die Tellergebilde zusammengehalten. Points Küche hingegen lag hinter dem Speisesaal. Das war der Unterschied: »Je ehrlicher man mit den […] hervorragenden Zutaten ist – Fisch, Wild, Trüffeln –, desto mehr holt man aus ihnen heraus.«
Man könnte jetzt einwenden, dass Mutter Brazier, bei der Outhier freilich nicht gelernt hatte, schon nach denselben Devisen kochte.
Anders als viele seiner Kollegen war Outhier kein fils de , kein Sohn eines Kochs, dessen Haus er einmal übernehmen konnte.
Während er als Aushilfe im Hotel Carlton in Cannes arbeitete, traf er alte Freunde aus Belfort. Die wollten ihr kleines Haus im nahen La Napoule zur Pension umbauen und suchten jemanden, der den Betrieb leitete. So fand sich Outhier nach dem Luxus von Points Pyramide in einem kleinen Hotel mit zehn Zimmern wieder, von denen nur eines davon über ein Bad verfügte. Mit einem Küchenjungen servierte er tagesfrische Menüs. Outhier lernte zu klempnern und elektrische Leitungen zu verlegen, jede freie Minute wurde in die Verschönerung der »Oasis« gesteckt. Zwei Jahre später kaufte er das Haus. Sieben Jahre Mundpropaganda waren nötig, damit der Guide Michelin sein Haus auszeichnete. Der Stern sorgte für eine gewisse Panik, Outhier renovierte nochmals und bekam zwei Jahre später einenweiteren Stern. Worauf er wiederum renovierte, die Küche vergrößerte, die Gästezimmer aufgab. Laut dem britischen Autor Quentin Crewe kommentierte Outhier die Auszeichnung mit einem dritten Stern mit einem einzigen Wort: »Scheiße.« Noch einmal musste der Koch tief in die Tasche greifen, die Einrichtung verbessern, den Weinkeller vergrößern.
Gekocht wurde in der Oasis recht klassisch, es gab Languste Belle Aurore, Steinbutt in Champagnersauce, Seezungenfilets in Noilly Prat, dazu einen putzigen »Igel« aus Foie gras mit Mandelsplittern, Millefeuille mit pochiertem Lachs in Kerbelsauce oder Hühnerbrust in Weinsauce mit gegrillten Äpfeln, Reis und Trüffeln. Das änderte sich gründlich im Jahr 1981. Zusammen mit seinem Stellvertreter Jean-Marie Meulien, der seinen Chef mit den Worten »er war Mozart und ich war Salieri« zu beschreiben pflegt, erkundete Outhier die Küchen Thailands. Übrigens erzählte Outhier die Geschichte 2012 genau anders herum: Meulien wäre Mozart gewesen, er hingegen
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