Die Erfinder des guten Geschmacks
Brigitte Bardot kam 15 Minuten zu spät und wurde vonGuillot abgewiesen. Jean-Paul Belmondo konnte sich, so heißt es im Gault Millau Magazin , mit einem flotten Spruch gerade eben noch herausreden: »Salut, Guillot, entschuldigen Sie meine Verspätung, aber mein Taxifahrer ist so blöd wie ich. Er wusste nicht, wo sich Marly befindet.«
Seit Gorbatschow heißt es, das Leben bestrafe die »Zuspätkommer«. Wesentlich härter trifft es jedoch Menschen, die ihre guten Ideen zu früh lancieren. Sie werden nicht nur bestraft, »das Leben« haut ihnen sozusagen mit seiner ganzen Kraft voll in die Magengrube und tritt dann 20 Zentimeter tiefer feste nach.
Vom Anspruch an die Produktqualität bis zur Leichtigkeit von Millefeuille und Saucen hatte Guillot etliche Prinzipien der Nouvelle Cuisine vorweggenommen. Doch als andere Köche dafür gefeiert wurden, war der Meister bereits im Rentenalter. »Neue Küchen« sind stets auch junge Küchen, die zumindest in den Medien nicht von Protagonisten jenseits der 60 verkörpert werden können, egal wie gut sie kochen.
In Kochkursen, die Guillot nach Schließung seines Lokals gab, vertrat er deutliche Meinungen, verurteilte zum Beispiel die Gleichsetzung von Küche mit Wissenschaft. Ein Rezept war für ihn keine Bedienungsanleitung, sondern ein Schema, das an die Gegebenheiten des Marktes und andere nicht unbedeutende »Unwägbarkeiten« angepasst werden musste. Die Einfachheit war für ihn »ein Luxus, den die Opulenz nicht immer verschaffen kann«.
Echten Ruhm erntete Guillot selten, auch wenn ihn der Gault Millau zum »Magier von Marly« ernannte. Zum »Küchenchef des Jahrhunderts« wurde er für Le Figaro erst nach seinem Ableben. Im Jahr 2001 schließlich wurde die Straße vor seinem Restaurant in Allée André Guillot umbenannt.
Ähnlich erging es Denis Lahana, den ganz Paris nur unter seinem Vornamen kannte. In den Sechzigerjahren betrieb er das vom Gault Millau am besten bewertete Restaurant der Hauptstadt, die beiden Kritiker wanden ihm Lobeskränze für Hummer Bordeleser Art, Seezungen, Kalbsbries in Gelee oder Lammrücken mit jungen Gemüsen. Überregionalen Ruhm hatte Lahana 1975 erreicht, als er Craig Claiborne, dem einflussreichen Kritiker der New York Times , 4000 Dollar für ein Menü der Superlative für zwei Personen fakturierte – diese Rechnung wurde von American Express im Rahmen einer Werbeaktion beglichen. Nicht weniger als 31 Gänge gab es, darunter Parfait vom Kalbsbries, Tarte von Wachtelmousse, Hummer in Rotweinsauce mit Trüffeln, Fettammern am Spieß, Rebhuhn in Kohl, Filets von der Wildente in Artischockenpüree. Und ja, Foie gras und Kaviar gab es auch, wenn auch nicht in dieser Reihenfolge. Claiborne kritisierte übrigens später, das Dinner sei nicht perfekt gewesen, der Hummer etwa sei ihm zu zäh gewesen, und überhaupt waren ihm die Gerichte nicht ästhetisch genug präsentiert. Angetan hatten es ihm jedoch die inzwischen verbotenen Fettammern, die mit ihren Knochen verzehrt werden und später auch die letzte Mahlzeit von François Mitterrand bildeten.
Als Henri Gault und Christian Millau jedoch den von ihnen geprägten Begriff der Nouvelle Cuisine vermarkteten, musste Denis als Vertreter der älteren Generation aus dem Rampenlicht getreten werden. 1976 kam es während einer Fernsehsendung mit dem Titel Gibt es eine neue Küche in Frankreich ( Existe-t-il une nouvelle cuisine française? , ausgestrahlt am 26. März 1976) zum Showdown zwischen Kritikern und Koch. Während die Gäste, darunter Paul Bocuse und der Patissier Gaston Lenôtre, der Frage nachgingen, was denn wohl die neue Küche sei, blieben die Autoren des Restaurantführers eine konkrete Antwort zuerst schuldig. Nach einigem Hin und Her einigte man sich auf eine Reduktion der Garzeiten als eines der Kennzeichen der Neuheit. Darauf Denis Lahana: »Wenn Sie schreiben, dass ich ein schwieriger Mensch war, dann, weil ich schon vor zehn Jahren die Fische, die grünen Bohnen, die Karotten, die Wildenten nicht zu sehr garen wollte. Und wenn dieser Stil heute in Mode ist, dann vielleicht, weil ich meiner Zeit voraus war.«
Leichte Saucen, weniger gegarte Gemüse, roh servierter Fisch: »Das gab es schon immer«, erinnerte sich Lahana. Die Exzesse, die von Gault Millau denunziert wurden, darunter das Würzen ein und derselben Sauce mit verschiedenen Kräutern, habe es in der großen Küche nie gegeben, wohl aber in schlechten Restaurants.
Selbst Bocuse bekam sein Fett ab, als Lahana
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