Die Erfinder Des Todes
dem Blut und steckte die Pinsel in seine Tasche. Anschließend stieg er in die Wanne und betrachtete nachdenklich die Wand. Über der Badewanne verliefen zwei Reihen Fliesen, aber darüber war eine freie verputzte Fläche von ungefähr vier Quadratmetern. Er wählte einen mitteldicken Pinsel aus und tauchte ihn in das Blut.
Dann begann er zu malen.
Susannah fing an zu schluchzen.
Kapitel 36
Als er bei der zweiten Tasse Kaffee war, fragte Steve sich, ob er über Nacht manisch-depressiv geworden sei. Seit dem Aufstehen war er in weniger als einer Stunde schon öfter zwischen den Extremen nervöser Erwartung und tiefer Verzweiflung hin- und hergependelt, als er zählen konnte.
Andererseits hatte er einen Tag zuvor Fiona gegenüber geäußert, dass dies nur für ein Anzeichen von Geistesgestörtheit zu halten sei, wenn kein Grund für diese Gefühle vorlag. Er aber hatte guten Grund für beide. Er richtete nun seinen ganzen Optimismus auf Terry Fowler, wenn auch durch die ihm eigene Vorsicht gedämpft. Falls ihre Arbeit so gut war, wie Fiona versprochen hatte, und Joanne die richtigen Fälle herausgefiltert hatte, könnte der Fall Susan Blanchard seit langer Zeit zum ersten Mal wieder vorankommen. Das wäre schon Erfolg genug.
Zusätzlich war da die Aussicht, mit ihr zu Abend zu essen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal bei der Verabredung mit einer Frau so überzeugt war, dass sie Spaß machen würde. Er musste einen Tisch bestellen. Nicht zu elegant, weil er nicht wollte, dass sie sich unbehaglich fühlten.
Aber auch nicht zu leger. Sie sollte schließlich merken, dass er sie ernst nahm. Normalerweise hätte er Kit gebeten, ein Restaurant zu empfehlen. Aber heute kam das nicht in Frage.
Denn sein Optimismus und sein Pessimismus waren beruflicher wie auch privater Natur. Er konnte der Erkenntnis nicht auswei-chen, dass er seiner ältesten Freundschaft ernsthaft Schaden zugefügt hatte. Fiona hatte mehr verlangt, als zu geben in seiner Macht stand. Sie musste das Gefühl haben, er habe sie im Stich gelassen. Sie und Kit. Er hatte am gestrigen Abend mehrmals versucht anzurufen, aber nur den Anrufbeantworter erreicht.
Zweifellos hatte Fiona beschlossen, ihre Anrufe zu sortieren, und er war offensichtlich nicht auf der positiven Seite der Liste.
Das Problem war, dass sie in emotionaler und moralischer Hinsicht Recht hatte. Aber er war im Recht, was die konkrete, praktische Sachlage betraf. Beide Auffassungen waren unvereinbar. In seinem Erwachsenenleben war er bisher immer froh gewesen, dass der Beruf, den er liebte, nie in Konflikt mit seinem Privatleben getreten war und zu zerstören gedroht hatte, was ihm wichtig war. Er hatte es bei Kollegen gesehen: zerrüttete Ehen, Kinder, die zu Feinden, und Freundschaften, die verraten wurden, und ihm war immer klar gewesen, er hatte einfach nur Glück gehabt, genauso gut hätte es ihn treffen können.
Jetzt war seine Glückssträhne zu Ende. Seine älteste Freundin war ihm entfremdet, sein bester Freund in Gefahr, und er konnte nichts tun. Es war nicht einmal sein Fall. Alles, was er darüber wusste, war ihm nur bekannt, weil Sarah Duvall die Güte besessen hatte, es ihm zu sagen. Er war schon lange genug leitender Kriminalbeamter und wusste, dass es hier um die schwierigste Art von Fall ging. Kein Verbrecher war so schwer zu stellen wie ein Mörder, der ohne eine ersichtliche Verbindung zu seinem Opfer tötete, aus einer nur ihm verständlichen Logik heraus handelte, wenig Spuren hinterließ und intelligent genug war, seinen Verfolgern immer ein paar Schritte voraus zu sein. Wenn solche Täter gestellt wurden, geschah es oft eher zufällig. Nachbarn beschwerten sich über den Geruch aus dem Abfluss, bei Stichproben ergab die Überprüfung eines Nummernschildes, dass es zu einem anderen Wagen gehörte, oder die Polizei hielt irgendeinen x-beliebigen Fahrer an, der zu schnell gefahren war.
Dass Kits Leben an einem so dünnen Faden des Zufalls hängen sollte, war so schlimm, dass Steve kaum darüber nachdenken konnte. Wie viel schlimmer musste es erst für Fiona sein, die schon einmal einen solchen anscheinend vom Zufall bestimmten Verlust erlitten hatte. Und während er jetzt an ihrer Seite sein und sie beide unterstützen sollte, war er nur ein Außenseiter.
Steve nahm den Rest seines Kaffees mit ins Schlafzimmer und überlegte, was er anziehen sollte. Er konnte sich nicht darauf verlassen, dass er Zeit haben würde nach Hause zu gehen und sich
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