Die Erfinder Des Todes
haben«, sagte sie, verdrängte ihre befremdlichen Gedanken, wandte sich um und sah ihn wieder an. »Ich bin gar nicht überzeugt, dass Ihr Täter eine Vorgeschichte als Sexualverbrecher hat.«
Berrocal runzelte die Stirn. »Wieso sagen Sie das? Nach dem, was ich gelesen habe, dachte ich, Serienkiller hätten generell eine Vorgeschichte sexueller Gewalttätigkeit. Und er hat an den Leichen seiner beiden Opfer brutale sexuelle Handlungen vorgenommen.«
»Das ist richtig. Aber in beiden Fällen wurden die Handlungen nach dem Tod vollzogen. Und das Eindringen erfolgte mit einem Fremdobjekt, nicht mit dem Penis. Dadurch wird allerdings noch nicht unbedingt ein sexuelles Motiv ausgeschlossen«, fügte Fiona fast zerstreut hinzu. »Aber ich glaube nicht, dass hier das Ziel in erster Linie sexuelle Befriedigung ist«, fuhr sie jetzt bestimmter fort. »Diese Verbrechen mögen oberflächlich so aussehen, als hätten sie mit sexuellen Machtphantasien zu tun, aber mir scheint es eher um eine Entweihung zu gehen. Fast so etwas wie Vandalismus«, sagte Fiona.
Berrocal richtete sich auf. Er sah aus, als frage er sich, ob es tatsächlich eine so gute Idee gewesen war, sie herzubringen.
»Wenn das der Fall ist, warum sind dann nicht auch die Gesichter entstellt?« Er streckte mit offener Herausforderung das Kinn vor.
Fiona hob die Hände. »Ich weiß es nicht. Aber ich kann mir vorstellen, der Killer wollte, dass seine Opfer gleich erkannt werden. Sie waren beide nicht von hier, also hätte es etwas länger dauern können, sie zu identifizieren, wenn ihre Gesichter bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet gewesen wären.«
Er nickte, nur zum Teil von dieser Antwort überzeugt. Er beschloss, sich mit einem Urteil über diese Frau, die anscheinend so leicht alte Wahrheiten umstieß, zunächst zurückzuhalten. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich Sie jetzt nicht nach Ihren Theorien frage«, sagte er mit einem weiteren kurzen, freundlichen Lächeln. »Es ist sinnvoller zu warten, bis Sie gesehen haben, wo die Delikte begangen wurden, und dann könnten wir vielleicht zum Polizeipräsidium gehen. Ich habe ein Einsatzzentrum für die Ermittlungen eingerichtet.«
»Ihr Arbeitsplatz ist sonst nicht in Toledo, sagten Sie?«
Berrocal schüttelte den Kopf. »Ich bin normalerweise in Madrid stationiert. Aber in Städten wie Toledo kommen nicht viele Morde im Lauf eines Jahres vor, und die meisten entstehen aus Familienstreitigkeiten. Deshalb haben sie hier niemanden, der Erfahrung mit komplizierteren Mordfällen hat, und müssen einen Experten aus Madrid rufen. Leider kommen bei uns in der Großstadt häufiger Morde vor, so dass dann jemand wie ich geschickt wird, um die Ermittlungen zu organisieren.«
»Das ist wahrscheinlich nicht leicht«, bemerkte Fiona. »Sie müssen hier wohl auf Empfindlichkeiten vor Ort Rücksicht nehmen.« Berrocal trommelte mit den Fingern auf den Fenstersims. »In mancher Hinsicht schon. Auf der anderen Seite macht es die Untersuchung für die Kollegen aus Toledo leichter.
Wenn ich den Leuten hier auf die Füße trete, zucken die hiesigen Kollegen die Schultern und sagen: >Na, hört mal, es ist schließlich nicht unsere Schuld, dass der blöde Kerl aus der Hauptstadt hierher kommt, alles aufrührt und überall aneckt.< Manche der hiesigen Beamten sind natürlich ein bisschen empfindlich und verstehen meine Anwesenheit als Kritik an ihnen, da muss ich eben meinen Charme spielen lassen.« In seinen Augenwinkeln erschienen kleine Fältchen, als er ironisch lächelte. »Aber Sie kennen solche Reaktionen ja auch. Genau wie ich mit meinem Team spielen auch Sie Feuerwehr, so nennt das meine Frau.«
Fiona reagierte darauf mit einem zurückhaltenden Lächeln.
»Manchmal hat das auch andere Nachteile. Es ist möglich, dass meine Unkenntnis des Orts und der regionalen Gegebenheiten mich dazu veranlassen, einem Detail mehr oder weniger Bedeutung beizumessen, als ihm zukommen sollte.«
Er zuckte wieder die Achseln. »Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Ortskundigen etwas als selbstverständlich hinnehmen können, das wir als Abweichung von einem Muster erkennen, denke ich.«
»Toledo ist eine echte Touristenstadt, nicht wahr?«, fragte Fiona.
»Das ist richtig. Es ist aber auch Bischofssitz, und die Kirchen-bürokratie besitzt einen beträchtlichen Anteil der Gebäude um die Kathedrale herum. Kirche und Tourismus lassen in der Altstadt wenig Raum für anderes. Mit jedem Jahr wohnen weniger Leute im alten Teil
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