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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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nächtliche Erde und zerdrückte zufällige Ähren mit ihren harten Sohlen. Ich folgte ihr, und mir schien, als fielen die Sterne auf ihre Dreadlocks wie auf Antennen, blieben dort hängen, versilberten ihren Kopf und erhellten ihre Figur. Unten standen ein paar schwarze Eisentonnen mit Wasser. Etwas weiter schimmerten zwei Biotoiletten, die die Nomaden offenbar bei ihren langen transsibirischen Wanderungen mitschleppten. Karolina ging zu den Tonnen, beugte sich hinunter und schöpfte eine Handvoll Wasser, das in ihrer Hand träge und folgsam war und müde durch ihre langen schwarzen Finger tropfte, in zarten dünnen Bändern pulsierte, unter die warme Wolle ihres Pullovers floss und unter der Kleidung leuchtete wie Splitter elektrischen Lichts. Karolina führte ihre Hände auseinander, und das Wasser löste sich und fiel zurück in das metallene Gefäß, sprühte dabei in unzählige Tropfen und zerschlug die dunklen Spiegelbilder, die sich auf der Wasseroberfläche gezeigt hatten.
    – Halt mal, – sagte sie, zog Pullover und Unterhemd aus und warf mir beides zu.
    Sie beugte sich über das nächtliche Wasser, nackt bis zur Taille, wusch sich wie ein echter Soldat, mit weit gespreizten Beinen und schwer atmend vor Kälte und Wohlbefinden. Ihre Haut glänzte, das Wasser beleuchtete sie mit weißem, vergänglichem Feuer, hob ihren flachen, eingezogenen Bauch und die schweren Brüste hervor, die von Tropfen gezeichnet waren, es berührte die Venen an ihren Armen und glänzte scharf auf ihren kreideweißen Handflächen.
    – Sie waschen sich niemals in Flüssen, – sagte Karolina, ohne die Bürste aus dem Mund zu nehmen, und trocknete sich mit ihrem Unterhemd ab. – Dieser Volksbrauch ist echt ein Problem. Das ist doch total unhygienisch, sich dauernd in Tonnen zu waschen. Verstehst du?
    – Versteh ich. Und ihre Frauen waschen sich auch so?
    – Pfui Teufel, – sagte Karolina beleidigt, zog den Pullover über und machte sich ans Zähneputzen.
    Plötzlich erzitterte oben im Lager die Luft und explodierte in einem freudigen Aufseufzen.
    – Sie ist niedergekommen! – schrie jemand, und sofort nahmen Dutzende von Stimmen diese Nachricht auf. – Sie ist niedergekommen!
    Die Feuer flammten in den Himmel. Schnelle, gespenstische Gestalten eilten durch das Lager, es entstand Tumult, Bullengebrüll war zu hören und fröhliche Schlagermusik aus Kassettenrekordern.
    – Los, – sagte Karolina. – Das müssen wir sehen.
    *
    Die Kinder schleppten Getränkeflaschen und kalte Häppchen zum Hauptzelt, die Frauen erhitzten irgendein Gebräu im Kessel über dem Feuer, die Männer umarmten sich, gratulierten sich gegenseitig und fragten nach Einzelheiten. Bei Sibylles Zelt stand ein ganzer Haufen, der aufgeregt summte, jeder drängte vorwärts, es war entsetzlich eng, aber das störte keinen. Manche Männer trugen Fackeln, andere leuchteten mit ihren Mobiltelefonen, alle starrten auf den Vorhang, hinter dem soeben die ersehnte Geburt stattgefunden hatte. Karolina bahnte sich einen Weg durch die Männer, indem sie sie sanft, aber bestimmt zur Seite schob, und ich eilte hinter ihr her. Die Nomaden traten ehrerbietig und ohne Murren auseinander, machten den Soldaten den Weg frei. Auf der Schwelle sah Karolina sich um.
    – Bis zu ihrer Niederkunft war es verboten, sie zu besuchen. Selbst für die Vertreter der EU . Verstehst du?
    – Na klar, – antwortete ich.
    – Tritt nicht mit dem Fuß auf die Schwelle, – erinnerte sie mich und verschwand hinter dem Vorhang.
    *
    Drinnen standen Männer und Frauen und flüsterten leise. Menschen aus Sibylles engstem Kreis, erklärte mir Karolina, Freundinnen, Schwestern, Geliebte, und auch der Bodyguard und der Buchhalter. Ihre Gesichter leuchteten vor Glück, die Freude vereinte sie zu dieser späten Stunde. Mitten im Zimmer stand ein Kanonenöfchen, dessen Blechrohr nach oben unter das Dach führte. Am Ofen saß eine junge Frau in Adidas-Blouson und warf getrocknete Kräuter ins Feuer, die die Luft mit Düften erfüllten. Sibylle lag auf synthetischen Webteppichen, Schaffellen und chinesischen Decken. Sie hatte ein Dolce&Gabbana-T-Shirt an, eine schon ältere Frau, mit tiefen schwarzen Augen im dunklen Gesicht. Sie sah müde aus, doch über die Müdigkeit legte sich ein zärtlicher Ausdruck. Neben ihr lag ihr Mädchen, eingewickelt in eine deutsche Daunendecke, aus der nur das Gesichtchen herausschaute; die ersten Geschenke, die die Gäste gebracht hatten, lagen auf der Decke: chinesische

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