Die Erfindung des Jazz im Donbass
Gestohlene?
– Auch.
– Vielleicht solltest du zu ihm fahren?
– Ach was, – winkte der Versehrte ab. – Der kommt selber klar. Ist ja kein Kind mehr. Ich hab auch ohne ihn genug Ärger. Stimmt’s, Tamara?
Aber auch Tamara hatte ihre eigenen Probleme, sie machte sich seit der letzten Nacht Sorgen, dass sie vielleicht zu viel gesagt hatte, und wusste nicht, was jetzt von mir zu erwarten war. Sie stand in der Ecke, in sich gekehrt und traurig, nickte zu Schuras Worten und war mit allem, was er sagte, einverstanden. Allerdings hatte der Versehrte keinen Blick dafür, er sah besorgt aus, und diese Besorgnis sprang schnell auf mich über. Ich machte mich sofort daran, ihn auszufragen. Nach Olga wollte ich in Tamaras Anwesenheit nicht fragen und hoffte, dass er von selber erzählen würde. Und obwohl er von Dingen redete, die seiner Meinung nach viel wichtiger waren, begriff Tamara, dass wir beide wohl demnächst verschwinden würden, sie machte uns Tee – stark und hoffnungslos bitter – und zog sich enttäuscht ins Zimmer zurück.
Der Versehrte redete bizarres Zeug.
– Hör mal, Harry, – sagte er. – Was hast du denn in Charkiw getrieben?
– Warum? – Ich verstand nicht, worauf er hinauswollte.
– Einfach so, – erwiderte der Versehrte irgendwie friedfertig. – Jemand sucht ganz eifrig nach dir. Und weiß du, was ich denke?
– Was denn?
– Es wäre besser, wenn sie dich fänden.
– Warum?
– Es sieht so aus, dass gar nicht du es bist, Harry, der Scheiße gebaut hat. Wenn, dann brauchen sie dich nur als Zeugen.
– Als Zeugen für was?
– Ich weiß nicht, – antwortete der Versehrte. Hast du vielleicht jemanden bestochen? – fragte er hoffnungsvoll. – Staatsbedienstete vielleicht?
– Zum Teufel, Schura, hätt ich ja gemacht, ich wusste nur nicht womit.
– Alles klar, – nickte der Versehrte. – Also, gestern waren sie wieder da. Es sind zwei. Wollen angeblich mit dir reden. Ließen ausrichten, du sollst keine Angst haben.
– Hab ich auch nicht, – sagte ich. – Haben sie mit dir gesprochen?
– Mit Olga.
– Waren sie etwa bei ihr?
– Ja, waren sie. Sie wollte sie erst rausschmeißen, dann hat sie ihnen zugehört.
– Und was haben sie gesagt?
– Na, was wohl. Dass sie dich sprechen wollen. Machten alle möglichen Andeutungen. Nichts Konkretes, haben nur ausrichten lassen, dass du dich besser mit ihnen triffst.
– Und was denkst du?
– Triff dich ruhig mit ihnen, – antwortete der Versehrte. – Was soll der Scheiß. Die werden dich schon nicht abmurksen, oder?
– Wahrscheinlich nicht. Aber wie finde ich sie?
– Du brauchst nicht groß zu suchen, – antwortete der Versehrte gereizt. – Sie wohnen im Hotel. Dort findest du sie auch.
– Im Hotel? Vielleicht sollte ich sie einfach anrufen?
– Sie haben keine Nummern hinterlassen. – Und überhaupt, – sagte der Versehrte nach kurzer Überlegung, – sind irgendwie aalglatte Typen. Tauchen auf und schnüffeln rum.
– Und was wollten sie erschnüffeln?
– Was weiß denn ich. Red besser selbst mit ihnen.
– Okay, ich geh heute mal vorbei.
– Tu das, nur keine Angst.
– Hab ich auch nicht.
– Was hast du zu verlieren?
– Eben. Wie geht es Olga?
– Schlecht, – antwortete Schura. Als hätte er auf die Frage gewartet. – Liegt im Krankenhaus.
– Seit wann das?
– Seit gestern. Seit sie die beiden rausschmeißen wollte.
– Hat sie sie rausgeschmissen?
– Na klar. Sie hat sie gar nicht zu Ende angehört, sondern gleich rausgeschmissen. Und als sie hinter ihnen die Tür zuschlagen wollte, hat sie sich den Fuß gebrochen.
– Den Fuß?
– Ja, den Fuß. Nun liegt sie eingegipst. Erst denken, dann handeln! – sagte der Versehrte, aber es war nicht klar, was er meinte.
– Vielleicht haben sie ihr was Schlimmes gesagt?
– Harry, – brach es aus dem Versehrten heraus, – ich weiß nicht, was sie ihr gesagt und worüber sie gesprochen haben. Aber Olga lässt dir ausrichten, dass du die beiden treffen solltest. Und hat überhaupt nach dir gefragt, sie macht sich wohl Sorgen.
– Macht sich Sorgen wegen mir?
– Wahrscheinlich.
Der Versehrte warf einen misstrauischen Blick auf das Geschirr im Küchenschrank und wollte los.
– Warte, – ich stand ebenfalls auf, – ich komme mit.
– Weißt du was, – erwiderte der Versehrte. – Regle zuerst deine Angelegenheiten, okay?
– Schura, – ich sah, dass er etwas vor mir verbarg. – Was soll der Scheiß?
Der Versehrte
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