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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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hatte, berührte sie mit den Lippen leicht meine Wange und verschwand im Flur. Ich blieb noch eine Weile stehen und folgte ihr dann. Kam an die Tür und schaute vorsichtig hinaus. Es war voll wie zuvor. Niemand beachtete mich. Plötzlich sprang Kotscha hinter der Tür hervor, ich erstarrte, er aber packte mich fest am Arm und führte mich die Treppe hinunter. Ich leistete keinen Widerstand, folgte ihm und überlegte, wie ich ihm alles beichten sollte. Draußen auf der Straße hielt Kotscha inne.
    – Kotscha. – Ich suchte nach Worten. – Also Folgendes.
    – Schon gut, Kumpel, – pfiff der Alte energisch. Keine Aufregung. Geh heim, sonst bringt dich der Alk noch um. Morgen sehen wir uns.
    – Was ich dir erzählen wollte . . .
    – Lass nur, Kumpel, – antwortete Kotscha. – Was könntest du mir schon erzählen, das ich nicht weiß? Geh schon, sonst lassen dich die Alkis hier nicht mehr weg.
    – Also gut, – stimmte ich zu. – Vielen Dank. Schade, dass es mit der Mamma so gekommen ist.
    – Mit der Mamma ist alles okay, – antwortete Kotscha streng und klar. – Die Mamma schreitet schon über die gelbe Backsteinstraße. Nicht mehr einzuholen, – fügte er hinzu und verschwand im Treppenhaus.
     
    Ich machte kehrt und ging nach Hause. Der Sand unter meinen Füßen war nass, die Häuser standen dunkel, als wären sie mit schwarzer Farbe gefüllt. Ich lief und erinnerte mich an alles, was es zu erinnern gab. Immer mehr und immer eindringlicher. Erinnerte mich an die ängstlichen Frauenstimmen, hysterisch und flehend, die darum baten, nirgendwohin zu gehen, dazubleiben, nicht in diese Dunkelheit einzutauchen, die von innen mit elektrisch aufgeladener Abendluft erleuchtet wurde. Erinnerte mich an Tamara, die angelaufen kam und Kotscha den Weg versperrte, nicht bereit, ihn gehen zu lassen. Erinnerte mich, wie sie unauffällig ihr Kleid richtete, mich vorwurfsvoll und unzufrieden musterte, wie ich sofort verstand, dass sie alles gesehen und mich bemerkt und überhaupt keine Angst hatte, dass ich etwas verraten könnte. Dass sie keine Angst vor mir hatte, war besonders beleidigend, aber ich wusste selbst, dass ich nichts würde erzählen können. Vor allem erinnerte ich mich an das Licht – das gelbe, dichte Licht der Laternen, unter denen sich nervös Gestalten regten, sich anschrien und stritten. Was war los? Ich erinnerte mich genau, dass mein Bruder dort war, auch Kotscha und andere. Und Kotscha wollte meinen Bruder überreden, ihm sein Messer zu geben, aber mein Bruder stand wie versteinert und hörte ihn überhaupt nicht, sondern wischte nur mit seinem Ärmel das Blut von der Klinge. Und da fiel mir alles wieder ein, wie Kotscha ihm endlich das Messer entwand, wie er sich dabei an der Hand verletzte, wie er das Messer weit weg in die Dunkelheit warf. Wie Kotscha mit zwei Milizionären fortging und Tamara versuchte, sie aufzuhalten, und laut schrie, Kotscha habe nichts damit zu tun, sie sollten ihn freilassen. Zuletzt fiel mir ein, wie sie in den Glasscherben stand, die Hände an den Kopf gepresst, und die Ringe brannten silbrig in ihrem dichten Haar. Als mir das alles eingefallen war, bemerkte ich, dass langsam der Morgen an den Himmel trat und die Maulbeerbäume ringsum die Dunkelheit in sich aufsaugten wie schwarze Limonade.

10
    – Wo warst du, hey, wo du warst? – Katja stand in langem Plastikregenmantel und weiten Trainingshosen beim Schleudersitz und schrie wie am Spieß. – Sie haben sie umgebracht!
    – Wen haben sie umgebracht? – wollte ich wissen.
    – Pachmutowa! Sie haben sie aufgehängt!
    Sie stand im Nebel, zu verängstigt, daraus hervorzutreten. In der feuchten Luft verklebte alles und verschwamm, ich war von der Straße abgebogen und hatte die Zapfsäulen erreicht, da begann sie so durchdringend zu schreien.
     
    Ich hatte lange hierher gebraucht, in der Morgendämmerung vergebens nach einer Mitfahrgelegenheit Ausschau gehalten. Als ich aus der Stadt herauskam, war es hell geworden, die Dunkelheit hatte sich wie Schlamm auf den Grund des Tales gesenkt. Hier oben war die Luft grau und von innen gemästet mit weißem Nebel. Katja stand vor mir, presste die Hände an den Mund, schrie hysterisch und schaute mich mit verängstigten Augen an, als sei ich es gewesen, der jemanden erhängt hatte.
    – Wo ist sie? – fragte ich. Aber Katja schrie einfach nur weiter. Ich packte ihre Arme und versuchte, sie zu sich zu bringen. – Hörst du? Wo ist sie?
    – Dort, – Katja zeigte irgendwo

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