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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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irgendwie zufrieden, ohne innezuhalten oder sich zu beschweren. Nachdem sie gekommen war, wischte sie sich die Tränen mit meinem nassen T-Shirt ab.
    *
    – Jetzt gehe ich ganz sicher von hier weg, – sagte sie und griff mir in die Taschen.
    – Was suchst du? – fragte ich.
    – Hast du was zu rauchen? – Sie fand keine Zigaretten, zog aber aus meiner Jacke die Sonnenbrille mit der gelben Fassung heraus, setzte sie auf, warf sich ins Kissen zurück und starrte an die Decke.
    Es war schon ganz hell geworden, der Morgen hatte lange begonnen, der Nebel zog sich in Richtung Fluss zurück, der Tag würde sonnig und trocken werden. Die Kleider lagen auf einem Haufen auf dem Boden, im Zimmer roch es nach kaltem Tee.
    – Wohin willst du gehen? – fragte ich.
    – Nach Odessa, – antwortete Katja. – Ans Meer.
    – Was willst du dort machen?
    – An die Uni gehen.
    – Und was willst du werden? – Ich redete mit ihr wie ein echter älterer Freund.
    – Prostituierte, – Katja lachte. – Was stellst du denn für blöde Fragen? Und du, – fragte sie, – wann gehst du weg?
    – Nie.
    – Und was willst du machen?
    – Ich mach ne Schaschlikbude auf. Eine sichere Bank. Willst du nicht bei mir bleiben? – schlug ich ihr vor. – Wir könnten heiraten.
    – Spinner, – sagte Katja darauf lachend. – Die fackeln dich hier ab, wenn nicht heute, dann morgen. Oder sie hängen dich auf. Wie Pachmutowa, – sagte sie und fing wieder an zu weinen.
    – Wein doch nicht, – versuchte ich sie zu trösten. – Hinter der Brille kann ich deine Tränen doch sowieso nicht sehen.
    – Gut, dass du sie nicht siehst, – antwortete Katja, kuschelte sich an meine Schulter und schlief ein.
    Schlimm, dass sie weggeht, dachte ich. Obwohl es noch viel schlimmer wäre, wenn sie bliebe.
    *
    Die Sonne stand hoch, mir war heiß, und ich wurde schläfrig, aber einschlafen konnte ich nicht, als wehrte ich mich irgendwie dagegen und versuchte, so lange wie möglich auf den Beinen zu bleiben, um auf das Wichtige zu warten, das gleich geschehen würde. Und das Wichtige geschah tatsächlich. Jemand kam an die Zapfsäulen gefahren, das hörte ich genau, obwohl ich nicht erkennen konnte, wer es war. Mir fiel ein, dass es gar nicht schlecht wäre, einen Baseballschläger oder so etwas zu haben, um mein Privateigentum zu schützen. Aber eine seltsame Apathie hatte mich ergriffen, ich hatte keine Lust, etwas zu tun – wollte mich nicht verteidigen, wollte niemandem den Schädel einschlagen, wollte nicht den eigenen hinhalten. Wenn es mein Tod sein wird, so werde ich mich an ihn erinnern.Von draußen waren Schritte zu hören, die Tür ging auf und Olga trat ein. Stand einen Moment auf der Schwelle und sah sich im sonnendurchfluteten Raum um. Als sie neben mir die schläfrige Katja entdeckte, erstarrte sie, richtete sich dann aber mit eckigen, hastigen Bewegungen ihre Haare, trat ein und setzte sich aufs Sofa gegenüber. Ich versuchte gar nicht, mich aufzurichten und irgendetwas zu sagen, was soll’s, dachte ich, es läuft echt mies, das hier ist sogar schlimmer als der Tod.
    – Hallo, – sagte Olga und versuchte, unbefangen zu klingen. – Was ist hier los?
    – Sie schläft, – antwortete ich. – Du hast gestern angerufen?
    – Nicht nur einmal, – sagte Olga und wurde immer ärgerlicher.
    – Komm, ich weck sie auf, – schlug ich vor. – Ich schicke sie heim, und wir reden über alles.
    – Hermann, – sagte Olga, ohne zu wissen wohin mit ihren Händen, – du bist ein Schwein. Warum willst du sie wecken?
    – Aber wir müssen doch reden?
    – Wieso glaubst du das?
    – Warum bist du dann gekommen?
    – Ich bin gekommen, um nachzusehen, ob man euch hier nicht schon abgefackelt hat. Ich arbeite übrigens für dich. Aber wie ich sehe, ist hier alles in Ordnung. Dann geh ich mal wieder. – Sie stand hastig auf und ging zur Tür. Hielt plötzlich an, drehte sich um und kam zu mir. – Und, – sagte sie, als wäre es ihr eben eingefallen, – gib mir meine Sonnenbrille zurück.
    Sie nahm Katja vorsichtig die Sonnenbrille ab, sprang aus dem Wagen und knallte laut die Tür hinter sich zu. Katja rührte sich nicht. Ich sprang ebenfalls auf den Boden, zog mir im Laufen meine Panzerschützenuniform an und rannte Olga nach.
    – Olja! – schrie ich sie einholend. – Ol, warte doch. Lass uns reden.
    – Okay, – antwortete Olga. – Aber nur im Büro, und nur während der Arbeitszeit. Oh, – fügte sie hinzu und zeigte auf mein Schlüsselbein,

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