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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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Endlich hatten wir uns aus dem Tal herausgearbeitet und gelangten auf den Feldweg, wir mussten über Backsteine rumpeln, die rot und hart waren wie Kiefernwurzeln. Kurz darauf bremste der Fahrer. War es hier, – fragte er uns, – sind wir hier herausgekommen? Sieht so aus, – antwortete ich, Tamara stöhnte nervös, der Priester winkte milde: Alles ist Gottes Wille, hieß das, fahr ruhig, im schlimmsten Fall finden sie uns bei der nächsten Ernte. Sjewa hielt sich daran, bog auf einen kaum sichtbaren Pfad ein, der sich im Mais verlor, trat aufs Gas und brauste los. Die trockenen Blätter schlugen gegen die Stoßstange, wickelten sich um die Scheibenwischer und drangen in die offenen Fenster. Die Maisstengel brachen mit verzweifeltem Knacken. Vor den Fenstern stand der Geruch warmen Todes und drang zu uns herein. Als wir in ein Schlagloch ratterten und hochgeschleudert wurden, legte sich Tamaras Hand plötzlich auf meine, aber sie zog sie schnell wieder weg. Vielleicht zu schnell. Ich versuchte nun meinerseits, ihre Hand zu fassen, aber sie machte sich rasch wieder frei und rückte von mir ab. Wir fuhren lange, langsam und ohne Hoffnung, wie man eben durch Maisfelder fährt.
    Aber wir verirrten uns nicht. Vielleicht zufällig, vielleicht wissentlich fuhr Sjewa aus dem goldenen Dickicht heraus, und wir fanden uns auf dem richtigen Weg wieder. Das Einzige, was wir nicht wussten, war die Richtung. Wir überlegten und fuhren nach rechts, wobei wir uns an der Sonne orientierten. Alle schwiegen. Der Priester drehte am Radio, dem in diesen Senken ohne Radiowellen die Luft ausgegangen war wie einem Taucher der Sauerstoff. Als Sjewa sah, dass der Priester keinen Erfolg hatte, beugte er sich zu ihm hinüber, um selbst am Radio zu drehen, wobei er die Straße ganz vergaß und nur ab und zu einen entspannten Blick nach vorne warf. Plötzlich, wohl als Reaktion auf irgendeine Bewegung, trat er verzweifelt auf die Bremse. Ich wurde an die Lehne des Vordersitzes geschleudert. Der Priester kroch unter den Sitz. Irgendwo über mir schrie Tamara durchdringend. Mitten auf der Straße stand Tolik in derselben FC -Mailand-Jacke wie gestern und mit verbundener Hand. Er lächelte uns an wie alte Freunde.
    – Na, Hermann, schlaft ihr beim Fahren? – fragte er fröhlich, als ich ausgestiegen war und auf ihn zuging.
    Meine Reisegefährten blieben im Auto sitzen, – Tamara weinte nach der gerade überstandenen Gefahr, Sjewa schwieg phlegmatisch, der Priester murmelte altertümliche Psalmen über Tiefseetaucher und Ballonfahrer.
    – Tolik, – sagte ich und sah, wie sich die Sonne in seinem Glasauge brach. – Was stehst du so verfuckt mitten auf der Straße? Wir hätten dich beinahe umgefahren.
    Tolik lachte nur abfällig. In seinem langen Haar hatten sich Maisfäden verfangen, seine verbundene Hand blutete.
    – Was ist mit deiner Hand?
    – Ach nichts, – wehrte er ab. – Gestern hat’s mir die Lupara weggehauen beim Schießen. Als ich morgens heimkam, wart ihr schon weg. Hab die Hand verbunden – und nichts wie hinterher.
    – Warum?
    – Also, Hermann, Folgendes – gut, dass ich euch noch erwischt habe. Ich muss mit dir reden.
    – Hättest du nicht einfach anrufen können?
    – Hier gibt’s kein Netz, fuck! – Endlich verlor er seine Ruhe. – Das merkst du doch selbst!
    – Um was geht’s?
    – Dein Freund hat angerufen, der Fußballer.
    – Schura?
    – Ja, Schura. Er hat dich gesucht. Hat erst die da angerufen, – Tolik deutete mit einem Kopfnicken in Richtung Auto, – du hast ja verdammt noch mal kein Telefon. Aber ihr wart schon weg. Also hat er mich angerufen.
    – Was ist los, konnte er nicht warten? Hast du nicht gesagt, dass wir heute Abend zurück sind?
    – Hab ich, Hermann. Aber, also Folgendes, du kommst besser nicht zurück. Das hat er gesagt.
    – Wie – nicht zurück?
    – Nicht, ohne ihn vorher angerufen zu haben.
    – Und was ist passiert?
    – Das hat er nicht gesagt. Vielmehr, er hat gesagt, dass du ihn anrufen sollst, dann erzählt er dir, was los ist. Ruf unbedingt an, okay?
    – Okay, – sagte ich. – Hast du ein Telefon?
    – Hab ich, – antwortete Tolik. – Nur dass es hier kein Netz gibt. Kommt mit zu uns.
    – Zu euch? – Ich krümmte mich. – Die werden wieder zu trinken anfangen, – jetzt nickte auch ich in Richtung des Wagens. – Ist schon okay, kurz bevor wir da sind, ruf ich an.
    – Wie du meinst. – Er widersprach nicht. – Nur hat er darum gebeten, dass du so schnell wie

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