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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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möglich anrufst. Sagt, dass du irgendwelche Probleme hast.
    – Scheiße. Und wo gibt es hier bei euch Netz?
    Tolik dachte nach. – Ihr könntet zu den Bauern fahren, – sagte er. – Aber verratet nicht, dass ihr von uns kommt.
    – Zu den Bauern – das ist welche Richtung?
    – Dorthin. – Er zeigte irgendwo auf den nächsten Hügel. – Ihr seht es schon.
    – Vielleicht zeigst du uns den Weg? – schlug ich vor.
    – Bin ich vielleicht ein verfuckter Blödmann? – lachte er. – Na dann, mach’s gut.
    – Mach’s gut. – Ich schüttelte ihm die Hand und ging zum Auto.
    – Hey, – rief er. Ich blieb stehen. – Das ist für dich. – Tolik trat zu mir und drückte mir ein seltsames Ding in die Hand.
    – Was ist das?
    – Eine Elektroschere. Bosch. Markenprodukt. Nur ohne Garantie.
    – Danke, – sagte ich. – Ich brauch keine Garantie, ich lass sie lieber segnen.
    – Richtig so, – stimmte er zu, winkte allen zum Abschied und verschwand im Mais.
    – Was ist los? – fragte Tamara.
    – Also, – antwortete ich weniger ihr, als dem Priester, – was soll ich sagen. Ich hab Probleme und muss telefonieren.
    – Telefonier, – Tamara holte ihr Nokia hervor.
    – Hier gibt’s kein Netz. – Brennt’s? – erkundigte sich der Priester.
    – Es brennt, Vater, – versicherte ich.
    – Was tun?
    – Lasst uns zu den Bauern fahren.
    Einen Moment schwieg der Priester und überlegte angestrengt.
    – Na gut, – sagte er schließlich. – Fahren wir.
    Wir wendeten und fuhren auf den nächsten Hügel. Die Sonne rollte in die entgegengesetzte Richtung.
    *
    Eine alarmierende, menschenleere Gegend, von Traktorspuren zerfurcht; schwarze trockene Erde, ein tiefer Himmel, aufgefaltet wie eine Militärkarte im Krieg; Garagen, wie Kirchen, den Kopf nach Osten, vergitterte Fenster wie Schießscharten nach Westen; mit Lähmung geschlagene Mähdrescher; Überreste von landwirtschaftlichen Geräten, schmutzig rot wie Rindfleisch – und keine einzige lebende Seele, kein Bauer, niemand. Ein schakaliger Hund rannte über den schwarzen Boden, schnüffelte an der ölgetränkten Erde und bog um die nächste Ecke. Sprang jedoch schnell wieder zurück, wie von jemandem erschreckt, blickte sich um und rannte in die entgegengesetzte Richtung. Als ob dort, um die Ecke, jemand stünde, als habe jemand diesen Wolfshund erschreckt und aus der Bahn geworfen. Wir fuhren auf einen löchrigen kleinen Platz und blieben auf der schwarz verschmierten Fläche stehen. Der Fahrer stellte den Motor ab. Es war still und unheimlich, als seien wir dorthin gefahren, wohin wir nicht hätten fahren sollen. Ich nahm Tamaras Nokia und öffnete es. Vor uns huschte eine Gestalt vorbei, aber zu schnell, um zu erkennen, wer das war.
    – Da ist jemand, – sagte Tamara erschrocken.
    – Hunde vielleicht, – sagte Sjewa.
    Der Priester schwieg, er bedauerte wohl schon, dass er zugestimmt hatte, diesen Haken zu schlagen. Ich schaute auf das Display. Es gab Netz. Ich versuchte, mich an die Nummer des Versehrten zu erinnern. Aber wieso sollte sie mir einfallen, dachte ich, ich habe sie noch nie gewusst, was strenge ich mich also an. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie zwei Schatten von einer Garage zur anderen rannten. Tamara hatte sie offenbar auch bemerkt.
    – Lasst uns wegfahren, – sagte sie ruhig.
    – Gleich, gleich fahren wir, nur noch einen Augenblick, – antwortete ich. – Kannst du den Versehrten anrufen?
    Hinter den Mähdreschern, geradeaus, stand noch jemand. Man konnte seine Blicke körperlich spüren.
    – Gib her, – Tamara nahm mir schnell das Nokia ab und suchte die Nummer.
    – Da war jemand, – sagte der Priester und nickte in den Rückspiegel. – Und jetzt ist er weg.
    Ich schaute mich um. Hinten war wirklich niemand. Der Hund schnürte wieder über den Platz und verschwand.
    – Na, was ist? – Ich hielt es nicht mehr aus und lehnte mich zu Tamara hinüber.
    – Es klingelt, – sagte sie erleichtert, – hier, bitte.
    Ich wollte ihr das Telefon aus der Hand nehmen, war aber unvorsichtig, Tamara zitterte, das Nokia glitt ihr aus der Hand und flog unter den Sitz. Schnell bückte ich mich, um es aufzuheben.
    – Harry, – hörte ich über meinem Kopf die besorgte Stimme des Priesters.
    Ich packte das Handy und hob den Kopf. Alle schauten angespannt in den Rückspiegel. Ich sah mich um. Hinter uns, ganz nah, standen vier Männer und starrten uns an. Unbemerkt klappte ich das Handy zu und ließ es in meine Tasche gleiten. Tamara

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