Die Erfolgsmasche
einen Abholzettel oder so etwas. Oder meinen Ausweis.
Vielleicht kann ich behaupten, die Schwester des Mannes zu sein und unserer gemeinsamen Mutter mit dem Foto zum Muttertag eine Freude machen zu wollen.
Irgendetwas wird mir schon einfallen, wenn erSchwierigkeiten macht! Es kommt auf einen Versuch an! Los, Sonja Rheinfall! Nur die Harten komm’ in’ Garten!
Wie von der Tarantel gestochen springe ich auf, ziehe mir die Schuhe an und laufe die paar Schritte hinüber zum Fotoladen.
Tatsächlich. Da steht das Bild. Im Schaufenster. Im goldenen, edlen Rahmen. Mit klopfendem Herzen starre ich es an. Eine tiefe innere Ruhe breitet sich in mir aus. Das Gefühl, angekommen zu sein. Die Gewissheit, etwas richtig zu machen. Mein Herz weitet sich, und mir wird ganz warm.
Das ist mein Sebastian Richter! Versonnen betrachte ich das Gesicht des amüsiert und gleichzeitig verträumt dreinblickenden Menschen. Ich kann meine Augen gar nicht von dem Schwarz-Weiß-Foto losreißen.
Der Mann, der mir aus dunkelbraunen, ja fast schwarzen Augen entgegenschaut, ist etwa Anfang vierzig. Genau das
passende Alter für mein Vorhaben! Seine vollen schwarzen Haare fallen ihm leicht gewellt ins Gesicht. Er wirkt männlich und doch verletzlich. Ein alleinerziehender Vater, wie er im Buche steht! Also, in meinem Buche. Ich trete einen Schritt zurück und kneife die Augen zusammen.
Er wirkt so, als könnte er Holz hacken, aber auch Wiener Walzer tanzen. Links herum. Ich kann ihn mir auf dem Fußballplatz vorstellen, aber auch im Smoking. Er passt auf ein Mountainbike, aber auch mit der Kochschürze in eine Landhausküche. Ich lege den Kopf schräg. Ja, auch auf einer Segeljacht kann ich ihn sehen oder lesend im Straßencafé. Sogar in einem klassischen Konzert kann ich ihn entdecken.
In folgenden Szenen kommt er nicht vor: Auf keinen Fall sitzt er mit der Bierdose vor dem Fernseher und pöbelt seine Fußballmannschaft an. Er sammelt auch keine Briefmarken, schüttet keine Körner in ein Aquarium, sitzt nicht vor einem Wohnwagen am Campingtisch, watet nicht mit hochgekrempelten Hosen in einem kneippschen Kaltwasserbecken herum und schenkt seiner Frau keine Dancing-Stars-Übe-DVD zum Geburtstag. Er kaut nicht mit offenem Mund, fährt kein Auto, an dessen Rückspiegel ein Stofftier baumelt, und lädt sich keinen Schmuddelkram am Computer runter.
Meine Güte, denke ich, was ist die Bandbreite von »Gehtnicht-Männern« riesig! Eigentlich fallen 95 Prozent aller Männer in diese Kategorie.
Aber dieser hier! Der ist es! Der ist der Volltreffer ! Der ist meine persönliche Erfolgsmasche!
Entschuldigung, der Herr, nehmen Sie es nicht persönlich, aber ich werde Sie jetzt kaufen. Kurz durchzuckt mich der Gedanke, dass Männer das doch auch tun. Mit Frauen, die gut aussehen. Um ihr Image aufzupolieren. Um bessere Chancen zu haben.
Vorsichtig schaue ich mich um. Am liebsten würde ich heimlich in das Schaufenster grapschen und das Bild einfach klauen! Es an mich reißen, unter meine Jacke stecken und abhauen! Mich überfällt ein Triumphgefühl. Frau Schneider-Basedow, Sie sind mir auf den Leim gegangen! Hier haben Sie Ihren Glamour-Kerl! Sebastian Richter ist genau das, was die Hausfrau von heute sich erträumt.
Ein wunderbarer Vater! Und das Beste an ihm, liebe Leserinnen: Er ist frei ! Wir können alle von ihm träumen! Wie gut, dass seine Frau ihn verlassen hat! Die dumme Kuh! Die weiß ja gar nicht, was sie da für einen Prachtkerl aufgegeben hat! Aber nun gehört er uns allen, Schwestern. Alle Frauenliebe-und-Leben -Leserinnen werden sich nach ihm verzehren. Und jeden Mittwoch um acht Uhr früh am Kiosk Schlange stehen. Sebastian Richter ist unglaublich, das garantiere ich euch! Ich backe ihn euch, wie ihr ihn wollt! Er kann Gitarre spielen und singt mit seinen Kindern und deren zahlreichen Freunden am Lagerfeuer. Er grillt Würstchen und weiß, wie man einen Drachen steigen lässt. Dabei verzichtet er auf jegliche Belehrungen, Erklärungen und Rechtfertigungen. Er sagt nie, dass er eigentlich was Besseres zu tun hat. Er ist weder peinlich noch spießig. Das werde ich euch schon noch nahebringen. Er liest niemals auf dem Klo Zeitung. Auch keine Bedienungsanleitungen. Ich glaube, der muss überhaupt nicht aufs Klo. Niemals. Er trägt keine Socken in Sandalen. Dafür kann er putzen und kochen. Und pfeift auch noch dabei, weil er immer fröhlich ist. Er hebt jeden Morgen nasse Handtücher auf und hängt sie schweigend über die Stange.
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