Die Erfuellung
haben, kriegen wir das schon hin.«
Für einen Augenblick herrschte Schweigen, dann streckte der alte Mann die Hand aus, nahm seinen Neffen am Arm und schüttelte ihn fast spielerisch. »Komm schon, Junge.«
Ganz langsam richtete Ralph Batley seinen Blick auf seinen Onkel. »Wahrscheinlich haben sie alle anderen Mittel ausgeschöpft«, sagte er zu Lindas Überraschung.
Linda spürte eine Neugier, die nicht ohne Mitgefühl war.
»Damit wirst du schon fertig«, mahnte der alte Shane. »Schlimmstenfalls baden wir die ganze Herde noch einmal.«
Als sie kurz darauf mit dem schweigenden Ralph Batley über die Hänge zur Farm zurückging, versuchte Linda Ordnung in ihre Gefühle zu bringen. Sie war immer noch verblüfft, dass dieser strenge, wortkarge Mann jemanden brauchte, der ihm Mut zusprach. Dabei hatte sie gedacht, er würde nur seinem eigenen Gesetz gehorchen und vor Selbstvertrauen geradezu strotzen.
Außerdem war sie neugierig. Schließlich war es nur natürlich, dass sie herausfinden wollte, was hinter der Fehde zwischen den Batleys und den Cadwells stand. Und ganz zuletzt spürte sie ein widerstrebendes Mitgefühl mit diesem Mann, was ihr völlig unangebracht schien. Ihr Arbeitgeber sah aus, als bräuchte er genauso wenig Mitgefühl wie sein Zuchtstier.
Linda hatte noch keine Stunde mit Sep Watson gearbeitet, da hatte sie schon eine Reihe von Dingen über ihn herausgefunden. Abgesehen davon, dass er verheiratet war, fünf Kinder hatte und in einem Häuschen wohnte, das sechs Kilometer von der Farm entfernt in den Hügeln in Richtung Longhorsley lag, redete er gerne. Allerdings beeinträchtigte das seine Leistung keineswegs. Seine Bewegungen mochten langsam und schwerfällig wirken, aber die Arbeit schien sich unter seinen erfahrenen Händen geradezu in Luft aufzulösen. Ihre wichtigste Erkenntnis war jedoch, dass Sep Watson seinen Arbeitgeber nicht mochte.
Das wurde ihr zum ersten Mal bewusst, als sie gedankenverloren vor einer besonders schönen Kuh stand und Sep Watson ihr einen raschen Stoß mit dem Ellbogen versetzte. »Achtung, stehen Sie bloß nicht rum! Hier kommt der große Meister persönlich«, zischte er aus dem Mundwinkel.
Im nächsten Augenblick erschien Ralph Batley im Kuhstall. Als Linda Watsons unterwürfigen Ton hörte, wurde ihr klar, dass sie es mit einem Kriecher zu tun hatte.
Nachdem Batley den Stall verlassen hatte, ohne sie eines Blickes zu würdigen, sah Sep Watson, der bereits wieder beim Melken war, sie aus seinen schrägen Augen an. »Lassen Sie sich von dem nicht unterkriegen. Sagen Sie ihm, was er hören will, und tun Sie, was Sie wollen. Wenn Sie schlau sind, bekommen Sie das hin.«
Als Linda sein hässliches Grinsen sah, wurde ihr klar, dass sie für Watson automatisch auf seiner Seite stand. Sie war Arbeiterin und daher von Natur aus gegen den Chef.
»Der ist mir schon als kleiner Junge auf die Nerven gegangen«, murmelte Watson, das Gesicht am Bauch der Kuh verborgen.
»Arbeiten Sie schon seit Ihrer Jugend hier?« Für einen Augenblick war Lindas Neugier stärker als ihre Abneigung.
»Ja, mit Unterbrechungen. Einige Male war ich für zwei bis drei Jahre woanders, aber ich komme immer zurück. Ich habe schon für seinen Vater gearbeitet, das war vielleicht ein Kerl!« Er warf den Kopf zurück und lachte. »Der konnte saufen wie ein Brauereipferd! Das waren noch Zeiten, da war was los. Der alte Boss und Jack Cadwell von der Crag End Farm führten immer was im Schilde. Die beiden waren Freunde, wie ihre Väter – die hatten nämlich die Häuser gebaut –, aber sie stritten sich trotzdem ständig.« Er legte den Kopf noch weiter zurück und sah zum Dach des Stalls hinauf. »Beide waren Spieler. Ich werde den Tag nie vergessen, an dem Batley die Südseite der Farm verspielt hat, das ganze Land vom Küstenweg bis zum Tal hinunter.«
Linda riss die Augen auf. »Er hat das Land verspielt?«, wiederholte sie.
»Ja. Jack Cadwell wollte die Weide im Tal schon immer haben, aber Batley hat nie irgendwelches Land verkauft. Über die Jahre hatte er sich jedoch so viel Geld von Jack Cadwell geliehen, dass sie eines Nachts, als sie kräftig gebechert hatten, beschlossen, darum zu spielen. Wenn Batley gewann, sollte Cadwell ihm die Schulden erlassen, wenn er verlor, würde Cadwell das Land als Bezahlung für seine Schulden erhalten. So einfach war das. Sehen Sie sich die Küste an, dann wissen Sie, wer gewonnen hat.«
»Das klingt ja unglaublich!« Langsam hob Linda den Eimer
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