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Die Erfuellung

Die Erfuellung

Titel: Die Erfuellung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Cookson
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weil ein Mann bei ihrer Berührung zurückgezuckt war.
    Onkel Shane sprach eben dieses freundliche Wort. »Das Kind mag Sie, Mädchen, das ist ein gutes Zeichen«, sagte er und tätschelte ihr die Schulter. »Und der Junge ist bei weitem nicht der Einzige. Sie haben sich an Ihrem ersten Tag wacker geschlagen, auch wenn es Ihnen vielleicht nicht so vorkommt.«
    Das gab ihr den Rest. Linda erhob sich mit gesenktem Kopf und lief unter dem Vorwand, den Tisch abräumen zu wollen, mit ein paar Tellern in die Küche. Dort hielt sie ihr Gesicht unter den Kaltwasserhahn, das half gegen den Kloß in ihrer Kehle. Wenn ihr Vater sie früher mit bissigen Bemerkungen verfolgt hatte, hatte sich kaltes Wasser stets als probates Mittel gegen Tränen erwiesen. Auf keinen Fall wollte sie Ralph Batley die Genugtuung gönnen, vor ihm zu weinen.

3
    Nachdem sie am Abend früh zu Bett gegangen war, erwachte Linda am nächsten Morgen frisch und ausgeruht. Ihre Ängste und verletzten Gefühle hatten sich relativiert, und sie sah dem vor ihr liegenden Tag mit einem gewissen Optimismus entgegen. Das lag vor allem daran, dass Ralph Batley ihr ungewöhnlich freundlich einen guten Morgen gewünscht und dabei sogar den Anflug eines Lächelns gezeigt hatte. Vielleicht wollte er seine Reaktion vom Vorabend wieder gutmachen.
    Den Gedanken an Sep Watson hatte sie so erfolgreich verdrängt, dass sie zufrieden bei Eiern und Speck saß, als es an der Hintertür klopfte.
    Aus der Reaktion der anderen schloss sie, dass das ein höchst ungewöhnliches Ereignis war. Linda wusste, dass der Melker nicht vor acht Uhr anfing, wenn das Wetter schlecht war noch später. Das hatte er ihr selbst erzählt. Aber noch während sie das dachte, erschien seine breite Gestalt, die den Türrahmen fast völlig ausfüllte. Er wirkte aufgeregt und musste gerannt sein, denn er war völlig außer Atem.
    Ralph und Mrs Batley waren schon aufgesprungen und gingen ihm entgegen.
    »Die Schafe sind ausgebrochen«, stammelte er. »Ein paar von ihnen sind auf dem Fenton-Moor, und die anderen« – er holte tief Luft – »die anderen sind auf dem Cadwell-Land.«
    Es folgte eine Stille, die zumindest Linda unheimlich war. Nicht einmal Michael gab einen Laut von sich.
    Stattdessen rannte einer nach dem anderen in die Küche und warf sich eine Jacke über.
    Am Vorabend hatte Linda ihren Dufflecoat ebenfalls dort aufgehängt, und so lief sie schon bald neben Mrs Batley durch den nasskalten Morgen.
    Sie waren noch nicht weit gekommen, als die ältere Frau sie am Arm nahm. »Laufen Sie vor, Mädchen, Ihre Beine sind noch jung.«
    Wortlos rannte Linda davon. Sie liebte das Laufen und war gut darin. Kurz darauf hatte sie Shane eingeholt, der keuchend und schnaufend auf Ralph Batleys Gestalt deutete, die in der Ferne in der Senke verschwand. »Folgen Sie ihm, ich lauf zum Moor«, brüllte er ihr zu.
    Rutschend stolperte sie ins Tal hinunter und auf der anderen Seite wieder hinauf, gerade noch rechtzeitig, um Ralph Batley wieder aus ihrem Blickfeld entschwinden zu sehen. Hier war sie noch nie gewesen. Bald fand sie sich auf einem gewundenen, schmalen Pfad wieder, der ihr endlos vorkam. Unvermittelt ragten vor ihr Felsen auf, die wie eine Miniaturausgabe der Steilhänge unten am Strand aussahen. Als sie sie, immer noch im Laufschritt, umrundet hatte, bot sich ihr ein Anblick, bei dem sie abrupt anhielt. Ralph Batley stand mit dem Rücken zu ihr auf einer Böschung. Auf der Straße unter ihm konnte sie jenseits des Zaunes die Köpfe zweier Pferde erkennen, auf denen die beiden Cadwell-Männer saßen. Batley wandte ihr den Rücken zu, aber seine gespreizten Beine und die in die Hüften gestemmten Hände sprachen Bände. Die beiden Reiter kochten vor Wut. Der alte Cadwell schien völlig außer sich zu sein. Mit wutverzerrtem Gesicht deutete er auf den Zaun. »Erzähl mir bloß nicht, dass du nichts davon weißt. Der Draht ist durchgeschnitten, und nicht bloß an einer Stelle, das sieht ein Blinder. Schafe beißen keine Drähte durch. Dein Ungeziefer hat die Moderhinke, und jetzt willst du meine Tiere damit verseuchen. Die sind ja fast alle lahm, sieh sie dir doch an.« Er deutete mit seiner Gerte auf die Straße hinter ihm.
    »Das ist keine Moderhinke. Ein einziges Tier hat sich am Fuß verletzt, das ist alles.« Ralph Batleys Stimme klang unnatürlich ruhig. »Und wenn sie alle miteinander die Moderhinke hätten, wäre das immer noch nichts gegen den Gestank, mit dem ihr die Luft verpestet.«
    Bevor

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