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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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Fußschritte auf dem Kirchenboden zu hören waren. Sie drehte sich in ihrem Drehstuhl um, sodass sie ihn anblicken konnte. Sie würde es diesmal nicht zulassen, dass er sich anschlich und wieder seine Hand auf ihre Schulter legte.
    Er blickte auf sie herab, sein birnenförmiger Kopf von seinem engelhaften Lächeln erleuchtet. »Noch so spät am Abend im Namen des Herren tätig, Nettie?«
    »Ich mache nur das Programm für nächsten Sonntag fertig«, antwortete sie und bemerkte, dass seine Augen wie die eines Geiers langsam ihren ganzen Körper abtasteten.
    Er lächelte sein ihm eigenes Lächeln, das eher bösartig als freundlich wirkte. »Schön, mein Kind. Schön. Diese Woche sollten viele Leute kommen. Und nächste Woche auch, Ostern steht schließlich vor der Türe. Das ist jetzt eine wichtige Zeit für den Herrn.«
    Nettie fragte sich insgeheim, ob er überhaupt wusste, dass Ostern ursprünglich ein heidnisches Fruchtbarkeitsfest war. Der Gedanke an Fruchtbarkeit erinnerte sie daran, dass sie zum Glück immer noch die Pille nahm, obwohl sie schon seit über einem Jahr keinen Sexpartner mehr gehabt hatte. In der Hitze des Gefechts hatten weder sie noch Bill an Kondome gedacht. Auch nicht an mögliche Krankheiten. Der Gedanke an Gummis in der Kirche ließ sie erröten.
    »Deine Wangen sind rosa, mein Kind«, sagte der Priester und kam noch näher, sodass er fast über ihr zu stehen kam. »Welcher Gedanke spukt in deinem Kopf, sodass sich die Farbe des Teufels auf deinem Gesicht abzeichnet?«
    »Ach, nur eine kleine Sünde. Nichts Schlimmes, aber im Haus Gottes…«
    Der Prediger hob nachsichtig seine Hand. »Ich weiß, Kind. Wir Menschen sind schwach. Wir können das Ideal Gottes nur erahnen, aber nie erreichen.«
    Er griff ihr mit seiner heißen, feuchten Hand auf das Knie. Sein Atem roch nach Kupfer und Blut, der Atem eines Jägers.
    Bills Liebe machte Nettie Mut. Es war an der Zeit, Klartext zu sprechen. »Herr Pfarrer…«
    Er beugte sich noch näher zu ihr. »Erzähle mir von deinen Sünden, mein hübsches Kind.«
    Sie bog sich in ihrem Sessel zurück, um seinen lüsternen Augen zu entkommen.
    »Mein Schweigen war meine Sünde«, sagte sie mit zusammengepressten Zähnen. »Ich habe nichts gesagt, obwohl ich einen Fehler gesehen habe.«
    »Aber bedenke, die Bibel sagt "Nur wer unschuldig ist, werfe den ersten Stein"«, sagte er mit leiser Stimme. Die Dachsparren knarrten in der Stille der leeren Kirche, so als ob die Nacht schwer auf ihnen lastete.
    Sie zögerte, denn sie wusste nicht, wie sie ihre Zweifel formulieren sollte. »Es geht um das Geld, Priester.«
    »Geld?« Seine Augen rollten wie gut geölte Kugellager.
    »Das fehlende Geld. Nur eine einzige Person hatte Zugriff auf das Geld, bevor ich hier zu arbeiten begonnen habe. Nur eine Person kann das Geld genommen haben.«
    »Kind, ich habe dir doch gesagt…«
    »Ich bin auch nicht Ihr Kind. Ich bin ein Kind Gottes und Sie sind weit von Gottes Wegen abgekommen.«
    »Was sagst du da?« Sein Gesicht zerknitterte mit einem Male und das gewöhnlich aufgemalte Grinsen verschwand.
    »Sie müssen das Geld genommen haben, Priester. Es gibt einfach zu viele Ungereimtheiten, als dass man das als einfache Versehen abtun könnte. Ich bin auf zirka zehntausend Dollar gekommen, die alleine letztes Jahr verschwunden sind.«
    »Ach, mein Kind, mein Kind, der Teufel ist in deinen kleinen Kopf gekommen und hat deine Augen mit Visionen geblendet«, sagte Armfield Blevins mit der wiedergefundenen sanften Stimme eines Predigers.
    Sie konnte aus seinen Worten die Schlange der Versuchung zischen hören. Gott, war sie von diesem Verführer die ganze Zeit geblendet gewesen!
    Ich habe gehofft, dass ich mich irre«, sagte sie. »Aber ich kann nicht länger meine Augen vor der Wahrheit verschließen. Die Lüge verzehrt mich innerlich.«
    Sie lehnte sich weiter zurück, als er sie anlächelte. Blevins Hand umklammerte ihr Knie, als er sich über sie beugte. Er sah größer und mächtiger aus als sonst und er schien die Schatten der Sakristei aufzusaugen.
    »Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen«, sagte er emotionslos.
    »Und du sollst keinen falschen Propheten huldigen«, antwortete sie. Es würde eine Zerreißprobe für die Kirche werden, aber Nettie wusste, dass Gott die Gemeinde wieder heilen würde und sie gestärkt aus dem dunklen Tal hervorgehen würde. Und sie würde sicherstellen, dass Blevins nicht ungeschoren davonkommen würde. Hier musste sogar das weltliche Gericht

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