Die Eroberung Von Mexiko Durch Ferdinand Cortes
Feinde höchst nötig. In jener Nacht hätte mancher all sein Gold mit Freuden hingegeben für einen guten Brustharnisch, eine feste Sturmhaube oder einen eisernen Kinnkragen.
Die ausgegebene Losung, um uns im Gefecht gegenseitig zu erkennen, lautete: Heiliger Geist! Heiliger Geist! – die bei Narvaez: Heilige Maria! Heilige Maria!
Den ersten Teil der Nacht verhielten wir uns ruhig. Die Zeit ging hin mit Zurüstungen und unter Gedanken an das heiße Geschäft, das unsrer wartete. Von einem Nachtmahl war keine Rede. Wir hatten nichts zu beißen. Es waren Vorposten ausgestellt, und ich kam auch hinaus. Dann marschierten die Trupps los. Die Trommeln und Pfeifen schwiegen auf Befehl des Cortes, und in gemessenem Schritt zogen wir in der Finsternis vorwärts bis an den Fluß, an dessen Ufer zwei feindliche Posten standen. Da sie an nichts weniger dachten als an unseren Besuch, so bemächtigten wir uns des einen. Der andere aber entkam uns, lief in sein Quartier und machte Lärm.
Den Übergang über den Fluß werde ich mein Lebtag nicht vergessen. Er war angeschwollen vom Regen, der in den letzten Tagen gefallen war. Die Steine, auf die wir traten, waren infolgedessen locker und schlüpfrig, und die Waffen, die wir auf dem Rücken trugen, uns recht hinderlich.
Vor dem Quartier des Narvaez kam sogleich der Befehl zum Angriff. Wir senkten unsere Piken und rannten wie die Teufel auf die Geschütze los, so daß die Kanoniere kaum die Zeit hatten, vier Stück abzufeuern. Von den Kugeln sausten drei über unsere Köpfe hinweg. Nur eine fuhr in uns hinein und brachte drei Kameraden zur Strecke. Im nämlichen Augenblick drangen schon die anderen Trupps unter Pfeifen- undTrommelschall in den Hof ein. Etliche Ritter des Narvaez stellten sich entgegen, hielten aber nur kurz stand. Sechs oder sieben von ihnen fielen. Trotzdem wir die Geschütze hatten, durften wir sie doch nicht allein den unbeharnischten Kanonieren überlassen, da uns von der Tempelhöhe herab mit Armbrüsten und Musketen noch arg zugesetzt ward.
Nun aber stürmte Sandoval mit seiner Mannschaft hinauf. Ein Regen von Bolzen und Kugeln empfing ihn. Er drang durch die ihm entgegengestreckten Piken die breiten Stufen hinauf. Jetzt konnten wir die Geschütze den Artilleristen lassen. Unseren Hauptmann Pizarro an der Spitze, eilten wir in ansehnlicher Zahl dem Sandoval und den Seinen zu Hilfe. Wir erschienen gerade recht, denn er kam an den letzten fünf oder sechs Stufen nicht mehr vorwärts. Wir brachten frische Kraft in das Gefecht, und Sandoval setzte von neuem an. Fürwahr, unsere langen Piken hatten feste Arbeit, ehe sie uns Bahn brachen!
Auf einmal hörten wir eine Stimme, ohne Zweifel die des Narvaez: »Heilige Mutter Gottes! Mein Auge! Man hat mir ein Auge ausgestochen!« – Im selbigen Augenblick riefen wir: »Viktoria! Viktoria! Cortes Sieger! Narvaez gefallen!«
Gleichwohl währte es noch geraume Zelt, ehe wir die Herren aller Gebäude auf dem Tempel waren. Dies gelang uns erst, als Martin Lopez, der Erbauer unserer Rennschiffe, auf den Einfall geriet, die Häuser mit Strohfeuer zu umräuchern. Jetzt kamen sie heraus, und Narvaez ward ergriffen. Der erste, der Hand an ihn legte, war Petro Sanchez Farfan. Im Augenblick erscholl es aus hundert Kehlen zum Himmel: »Hoch lebe der Kaiser! Hoch Cortes, unser Feldherr! Heil und Sieg! Narvaez ist hin!«
VI
Die Noche triste
erzählt von Bernal Diaz. (Vgl. den Bericht des Cortes auf S. 177 ff.)
Wir trafen nun Anstalten für unseren Rückzug. Die erste und wichtigste war der Bau einer beweglichen Brücke, die an Stelle der verbrannten Übergänge über die Gräben gelegt werden sollte. Um sie fortzutragen, aufzustellen und wieder wegzunehmen, sowie zu ihrer Bewachung, bis die Artillerie, das Gepäck, die Reiterei und alle Truppen hinüber waren, wurden 150 Hispanier und 400 Tlaskalaner beordert. Die Fortschaffung der Geschütze hatten 50 Hispanier und 250 Tlaskalaner zu bewerkstelligen. Die Vorhut sollten Gonzalo von Sandoval, Franz von Lujo, Diego von Ordas und Andreas von Tapia bilden. Sie hatten die Straße vom Feinde zu säubern. Hierzu bekamen sie noch 8 bis 10 Offiziere und 100 Mann zu Fuß, besonders kräftige und gewandte jüngere Leute. Zwischen dem Gepäck und dem Troß der indianischen Weiber und Gefangenen wollte Cortes selbst mit Alonso von Avila, Christoval von Olid, Bernardino Vasquez von Tapia nebst etlichen anderen Offizieren und 50 Mann zu Fuß seinen Platz haben, um überall eingreifen zu
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