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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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andere nicht mehr da ist.«
    Sie lag noch im Bett; sie kroch wieder unter die Decke, schnellte wie ein Karpfen hoch und lachte wie ein Kind.
    »Ah gut! Alles wird uns gehören, nicht wahr? – Ich werde ein anderes Zimmer nehmen. Und ich will in den Garten gehen, ich will unten kochen … Sieh mal! Das ist uns mein Bruder doch schuldig. Du wirst ihm tüchtig unter die Arme greifen!«
    Am Abend traf Trouche erst um zehn Uhr in dem anrüchigen Café ein, in dem er sich mit Guillaume Porquier und anderen vornehmen jungen Leuten der Stadt traf. Man zog ihn wegen seiner Verspätung auf, beschuldigte ihn, mit einem der jungen Flittchen vom Marienwerk zu den Wällen gegangen zu sein. Gewöhnlich fühlte er sich durch diesen Scherz geschmeichelt; aber er blieb ernst. Er sagte, daß er Geschäfte zu erledigen gehabt habe, ernsthafte Geschäfte. Erst gegen Mitternacht, als er die kleinen Karaffen auf dem Schanktisch geleert hatte, wurde er weich und mitteilsam. Er duzte Guillaume, lallte, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und zündete seine Pfeife bei jedem Satz wieder an:
    »Ich habe heute abend deinen Vater besucht. Der ist ein braver Mann … Ich brauchte ein Schriftstück. Er ist sehr nett gewesen, sehr nett. Er hat es mir gegeben. Ich habe es da, in meiner Tasche … Ah! Zuerst wollte er nicht. Er sagte, das sei Sache der Familie. Ich habe zu ihm gesagt: ›Ich bin die Familie, ich habe den Auftrag von der Mama …‹ Du kennst sie, die Mama, du gehst zu ihr. Eine brave Frau. Sie hat einen sehr zufriedenen Eindruck gemacht, als ich zuvor hingegangen war, um ihr die Angelegenheit zu erzählen … Also, er hat mir das Schriftstück gegeben. Du kannst es anfassen, du fühlst es in meiner Tasche …« Guillaume sah ihn starr an, verbarg seine lebhafte Neugier unter einem zweifelnden Lachen.
    »Ich lüge nicht«, fuhr der Trunkenbold fort. »Das Schriftstück ist in meiner Tasche … Hast du es gefühlt?«
    »Das ist eine Zeitung«, sagte der junge Mann.
    Trouche zog grinsend aus seinem Gehrock einen großen Umschlag, den er mitten zwischen den Tassen und Gläsern auf den Tisch legte. Er verteidigte ihn einen Augenblick gegen Guillaume, der die Hand ausgestreckt hatte; dann ließ er ihn zugreifen und lachte stärker dabei, als habe man ihn gekitzelt. Es war ein sehr eingehendes Gutachten von Dr. Porquier über den Geisteszustand des Herrn François Mouret, Hausbesitzer in Plassans.
    »Wird man ihn nun einlochen?« fragte Guillaume und gab das Schreiben zurück.
    »Das geht dich nichts an, mein Kleiner«, antwortete Trouche, der wieder mißtrauisch geworden war. »Dieses Schriftstück da ist für seine Frau. Ich bin nur ein Freund, der gern gefällig ist. Sie kann tun, was sie will … Sie kann sich doch nicht massakrieren lassen, die arme Frau.«
    Er war so blau, daß ihn Guillaume bis zur Rue Balande begleiten mußte, als man sie aus dem Café hinauswarf. Er wollte sich auf allen Bänken des Cours Sauvaire schlafen legen. Auf dem Place de la Sous Préfecture angekommen, schluchzte er und sagte immer wieder:
    »Es gibt keine Freunde mehr; weil ich arm bin, verachtet man mich … Du, du bist ein guter Junge. Wenn wir die Herren sind, wirst du mit uns Kaffee trinken. Wenn der Abbé uns hinderlich ist, werden wir ihn dem anderen nachschicken … Mit dem Abbé ist trotz seines großspurigen Getues nicht viel los; ich mache ihm sonstwas weis … Du bist ein Freund, ein echter Freund, nicht wahr? Der Mouret sitzt in der Falle, wir werden seinen Wein trinken.«
    Nachdem Guillaume Trouche vor seiner Haustür abgesetzt hatte, ging er durch das eingeschlafene Plassans und pfiff leise vor dem Haus des Friedensrichters. Das war ein verabredetes Zeichen. Herrn Maffres Söhne, die ihr Vater eigenhändig in ihrem Zimmer einschloß, öffneten ein Fenster im ersten Stock, aus dem sie hinunterkletterten, wobei sie die Gitterstangen zu Hilfe nahmen, mit denen die Fenster im Erdgeschoß verrammelt waren. Jede Nacht gingen sie so, in Begleitung des jungen Porquier, dem Laster nach.
    »Ach was!« sagte er zu ihnen, als sie schweigend die schwarzen Wallgassen erreicht hatten, »es wäre falsch von uns, wenn wir uns Zwang antäten … Wenn mein Vater noch einmal davon redet, mich zur Strafe in irgendein Nest zu schicken, weiß ich, was ich ihm zu antworten habe … Wollt ihr wetten, daß ich im Jugendklub aufgenommen werde, wann ich will?«
    Herrn Maffres Söhne nahmen die Wette an. Alle drei schlichen sich in ein gelbes Haus mit grünen

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