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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Ich weiß sehr gut, daß Sie kaum zu seinen Freundinnen gehören; gerade deswegen habe ich Sie nicht ins Vertrauen gezogen. Aber Sie haben unrecht, Sie werden erleben, was der Mann für einen Weg machen wird, sobald er den Fuß im Steigbügel hat; er wird in der Robe eines Senators sterben … Was mich endlich dazu bewogen hat, sind die Geschichten, die man mir über sein Vermögen erzählt hat. Er soll seine in flagranti ertappte Frau dreimal wieder aufgenommen haben, nachdem er sich von seinem biederen Schwiegervater jedesmal hunderttausend Francs hat geben lassen. Wenn er tatsächlich auf diese Weise Geld herausgeschlagen hat, ist er ein Kerl, der in Paris für gewisse Verrichtungen sehr nützlich sein wird … Oh! Sie können suchen. Wenn Sie ihn nicht mitrechnen, gibt es in Plassans nur noch Dummköpfe.«
    »Es ist also ein Geschenk, das Sie der Regierung machen«, sagte Félicité lachend.
    Sie ließ sich überzeugen. Und am nächsten Tag lief der Name Delangre von einem Ende der Stadt zum anderen. Freunde, wurde gesagt, hätten ihn durch dringende Bitten bewogen, die Kandidatur anzunehmen. Er habe sich lange dagegen gesträubt, habe sich für unwürdig gehalten, habe immer wieder gesagt, er sei kein Politiker, die Herren de Lagrifoul und de Bourdeu hätten dagegen lange Erfahrungen in öffentlichen Angelegenheiten. Als man ihm beteuerte, daß Plassans gerade einen Abgeordneten brauche, der außerhalb der Parteien stehe, habe er sich rühren lassen, aber dabei ein sehr deutliches Wahlprogramm entwickelt. Es verstehe sich von selbst, daß er, weder um die Regierung zu placken noch um sie trotz allem zu unterstützen, in die Kammer ginge, daß er sich einzig und allein als Vertreter der Interessen der Stadt betrachten werde, daß er im übrigen immer für die Freiheit in der Ordnung und für die Ordnung in der Freiheit stimmen werde, daß er schließlich Bürgermeister von Plassans bleiben werde, um so ausdrücklich die ganz versöhnende, ganz verwaltungsmäßige Rolle erkennen zu lassen, die er bereit sei, auf sich zu nehmen. Solche Worte wirkten besonders vernünftig. Die schlauen Politiker des Handelsklubs sagten am selben Abend immer wieder um die Wette:
    »Ich hatte es gesagt, Delangre ist der Mann, den wir brauchen … Ich bin neugierig zu wissen, was der Unterpräfekt antworten mag, wenn der Name des Bürgermeisters aus der Wahlurne herauskommt. Man wird uns schließlich nicht beschuldigen, wir hätten wie maulende Schuler gewählt; ebensowenig wird man uns vorwerfen können, wir seien vor der Regierung in die Knie gesunken … Wenn das Kaiserreich einige Lektionen dieser Art erhielte, liefen die Dinge besser.«
    Es war wie ein Lauffeuer. Die Mine war fertig, ein Funken hatte genügt. Von allen Seiten mit einmal, aus den drei Stadtteilen, in jedem Haus, jeder Familie stieg Herrn Delangres Name inmitten einhelliger Lobeshymnen empor. Er wurde der erwartete Messias, der am Vortag noch unbekannte, am Morgen entdeckte und am Abend angebetete Erlöser.
    Hinten in den Sakristeien, hinten in den Beichtstühlen wurde Herrn Delangres Name gestammelt; er dröhnte im Widerhall der Kirchenschiffe, fiel von den Kanzeln im Stadtrandgebiet, wurde von Ohr zu Ohr gereicht wie ein Sakrament, breitete sich aus bis in die entlegensten Winkel der letzten frommen Häuser. Die Priester trugen ihn zwischen den Falten ihrer Soutane; Abbé Bourrette verlieh ihm die ehrwürdige Biederkeit seines Bauches, Abbé Surin die Anmut seines Lächelns, Monsignore Rousselot den völlig weiblichen Zauber seines Hirtensegens. Die Damen der Gesellschaft wußten über Herrn Delangre nicht genug zu erzählen; sie fanden, daß er ein so edler Charakter sei, ein so kluges, geistvolles Gesicht habe! Frau Rastoil errötete noch immer; Frau Paloque war fast schön, wenn sie sich begeisterte; was Frau de Condamin anbelangt, so hätte sie sich mit Fächerhieben für ihn geschlagen. Sie gewann ihm die Herzen durch die Art und Weise, mit der sie den Wählern, die für ihn zu stimmen versprachen, zärtlich die Hand drückte. Endlich versetzte Herr Delangre den Jugendklub in Leidenschaft. Séverin hatte ihn zum Helden gemacht, während ihm Guillaume und Herrn Maffres Söhne an den üblen Orten der Stadt Sympathien eroberten. Und sogar die kleinen Flittchen vom Marienwerk feierten Herrn Delangres Verdienste, wenn sie hinten in den öden Gassen bei den Wällen mit den Gerberlehrlingen aus dem Viertel Stöpseln spielten.
    Am Wahltag war die Mehrheit

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