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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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war, als sie es wieder fortnahm.
    Der Priester wartete mit verschränkten Armen auf das Ende des Anfalls.
    »Sie wissen alles, nicht wahr?« vollendete sie stammelnd. »Ich bin eine Elende, ich habe Ihretwegen gesündigt … Aber geben Sie mir das Leben, geben Sie mir die Freude, und ich gehe ohne Gewissensbisse in jene überirdische Glückseligkeit ein, die Sie mir verheißen haben.«
    »Sie lügen«, sagte der Priester langsam, »ich weiß von nichts, es war mir unbekannt, daß Sie dieses Verbrechen begangen hatten.«
    Nun wich sie zurück mit gefalteten Händen, stammelte dabei und starrte ihn mit entsetzten Blicken an. Dann ließ sie sich hinreißen, verlor die Besinnung, wurde vertraulich und murmelte:
    »Hören Sie, Ovide, ich liebe Sie, und Sie wissen es, nicht wahr? Ich habe Sie geliebt, Ovide, von den Tagen an, da Sie hier eingetreten sind … Ich sagte es Ihnen nicht. Ich sah, daß Ihnen das mißfiel. Aber ich fühlte wohl, daß Sie mein Herz errieten. Ich war befriedigt, ich hoffte, wir könnten eines Tages in einer ganz göttlichen Vereinigung glücklich sein … Dann habe ich um Ihretwillen das Haus leer gemacht. Ich bin auf den Knien gekrochen, ich bin Ihre Magd gewesen … Sie können doch nicht bis zum Schluß grausam sein. Sie haben in alles eingewilligt, Sie haben mir erlaubt, Ihnen allein zu gehören, die Hindernisse, die uns trennten, aus dem Wege zu räumen. Ich flehe Sie an, erinnern Sie sich. Jetzt, da ich krank und verlassen bin, mein Herz gemordet ist und mein Kopf leer, ist es unmöglich, daß Sie mich zurückstoßen … Wir haben nichts laut gesagt, das stimmt. Aber meine Liebe sprach, und Ihr Schweigen antwortete. An den Mann wende ich mich, nicht an den Priester. Sie haben zu mir gesagt, daß nur ein Mann hier ist. Der Mann wird mich hören … Ich liebe Sie, ich liebe Sie, und ich sterbe daran.« Sie schluchzte.
    Abbé Faujas hatte seine hohe Gestalt wieder aufgerichtet, er trat näher an Marthe heran, ließ seine Verachtung des Weibes auf sie niederfallen.
    »Du elende Versuchung des Fleisches!« sagte er. »Ich rechnete damit, daß Sie vernünftig wären, daß Sie nie bis zu dieser Schmach herabsinken würden, dieses unreine Sinnen laut auszusprechen … Ja, das ist der ewige Kampf des Bösen gegen jene, die starken Willens sind. Ihr seid die Versuchung hienieden, die Feigheit, der Höllensturz. Der Priester hat keine anderen Widersacher als euch, und man sollte euch wie Unreine und Vermaledeite aus den Kirchen jagen.«
    »Ich liebe Sie, Ovide«, stammelte sie abermals. »Ich liebe Sie, stehen Sie mir bei.«
    »Ich habe mich Ihnen bereits zu weit genähert«, fuhr er fort. »Wenn ich scheitere, werden Sie, Weib, mich durch Ihr bloßes Verlangen meiner Kraft beraubt haben. Heben Sie sich hinweg! Fort! Sie sind Satan! Ich werde Sie schlagen, um den bösen Geist aus Ihrem Leibe auszutreiben.«
    Sie hatte sich niedergleiten lassen, saß halb an der Wand, stumm vor Schrecken angesichts der Faust, mit der der Priester ihr drohte. Ihr Haar löste sich, eine große, weiße Strähne verriegelte ihre Stirn. Als sie, in dem kahlen Zimmer einen Beistand suchend, die Christusfigur aus schwarzem Holz gewahrte, hatte sie noch die Kraft, die Hände mit einer leidenschaftlichen Gebärde danach auszustrecken.
    »Flehen Sie nicht das Kreuz an«, rief der Priester außer sich vor Zorn. »Jesus hat keusch gelebt, und deshalb hat er zu sterben gewußt.«
    Frau Faujas kam zurück und hielt am Arm einen großen Einkaufskorb. Sie machte sich schnell die Hände frei, als sie ihren Sohn in diesem furchtbaren Zorn sah. Sie nahm ihn bei den Armen.
    »Ovide, beruhige dich, mein Kind«, flüsterte sie und streichelte ihn. Und sie wandte sich zu der zerschmetterten Marthe um und blitzte sie an: »Sie können ihn also nicht in Ruhe lassen! Da er von Ihnen nun nichts wissen will, so machen Sie ihn doch wenigstens nicht krank. Los, gehen Sie hinunter! Es ist unmöglich, daß Sie hier bleiben.«
    Marthe rührte sich nicht. Frau Faujas mußte sie hochheben und zur Tür stoßen; sie schalt, beschuldigte sie, sie habe abgewartet, bis sie selber weggegangen sei, ließ sie versprechen, nicht wieder heraufzukommen, um das Haus durch ähnliche Auftritte in Aufregung zu bringen. Dann schloß sie hinter ihr heftig die Tür.
    Taumelnd ging Marthe hinunter. Sie weinte nicht mehr. Sie? sagte immer wieder:
    »François wird zurückkommen, François wird sie alle auf die Straße setzen.«
     

Kapitel XXI
    Der Wagen nach Toulon, der

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