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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4
Autoren: Émile Zola
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wird, denn sie können Herrn Mouret nicht leiden, der so hart zu Ihnen war … So, soll ich es Ihnen rundheraus sagen, Madame? Die Ehe hat Ihnen nichts eingebracht, Herr Mouret hat Sie mit seiner Bosheit angesteckt. Hören Sie, es gibt Tage, da sind Sie genauso boshaft wie er.« In diesem Ton redete sie weiter bis Les Tulettes, verteidigte die Faujas und die Trouches, beschuldigte ihre Herrin aller möglichen Niederträchtigkeiten. Schließlich sagte sie:
    »Diese Leute da wären rechtschaffene Herrschaften, wenn sie genügend Geld hatten, um sich Hausangestellte zu halten! Aber Vermögen fallt immer nur Leuten zu, die kein Herz haben.«
    Marthe, die ruhiger geworden war, antwortete nicht. Sie schaute mit verschwommenem Blick zu, wie die dürftigen Bäume längs der Landstraße vorüberzogen, sich weite Felder wie braune Stoffbahnen auseinanderfalteten. Roses Schimpfen verlor sich im Rumpeln des Wagens.
    In Les Tulettes ging Marthe rasch auf Onkel Macquarts Haus zu; die Köchin, die nun schwieg, die Achseln zuckte und die Lippen zusammenkniff, folgte ihr.
    »Wie! Du bist es!« rief der Onkel sehr überrascht. »Ich glaubte, du liegst in deinem Bett. Man hatte mir erzählt, du seist krank … Ei, ei, Kleine! Kräftig siehst du nicht aus … Kommst du mich zum Essen einladen?«
    »Ich möchte François sehen, Onkel«, sagte Marthe.
    »François?« wiederholte Macquart, ihr ins Gesicht schauend. »Du möchtest François sehen? Das ist der Einfall einer guten Frau. Der arme Junge hat genug nach dir geschrien. Ich sah ihn hinten von meinem Garten aus, wie er den Mauern Faustschläge versetzte und dich dabei rief … Ach! Du kommst, um ihn zu sehen? Ich glaubte, ihr hättet ihn dort alle vergessen.«
    Marthe waren dicke Tränen in die Augen gestiegen.
    »Es wird nicht leicht sein, ihn heute zu sehen«, fuhr Macquart fort. »Es ist gleich vier Uhr. Außerdem weiß ich nicht recht, ob der Direktor dir die Erlaubnis geben will. Mouret ist seit einiger Zeit gar nicht brav; er schlägt alles entzwei und spricht davon, die Bude in Brand zu stecken. Gewiß! Die Irren sind nicht alle Tage nett.«
    Am ganzen Körper schaudernd, hörte sie zu. Sie wollte den Onkel ausfragen, begnügte sich aber, die Hände nach ihm auszustrecken.
    »Ich bitte Sie inständig«, sagte sie. »Ich habe die Fahrt eigens gemacht; ich muß François unbedingt heute sprechen, augenblicklich … Sie haben Freunde im Irrenhaus. Sie können mir die Türen öffnen.«
    »Allerdings, allerdings«, murmelte er, ohne sich deutlicher auszudrücken.
    Er schien von einer großen Ratlosigkeit befallen zu sein, weil er den Grund für diese jähe Reise nicht klar durchschaute und den Fall anscheinend unter einem persönlichen, nur ihm bekannten Gesichtspunkt sah. Er blickte die Köchin fragend an, die ihm den Rücken kehrte. Schließlich zeigte sich ein dünnes Lächeln auf seinen Lippen.
    »Kurzum, da du es willst«, murmelte er, »werde ich die Sache versuchen. Nur denke daran, wenn deine Mutter böse wird, daß du ihr erklärst, ich habe dir nicht widerstehen können … Ich habe Angst, daß du dir was wegholst. Das ist ganz und gar nicht fröhlich, versichere ich dir.«
    Als sie fortgingen, weigerte sich Rose rundweg, sie zu begleiten. Sie hatte sich vor ein Rebholzfeuer gesetzt, das in dem großen Kamin brannte.
    »Ich habe es nicht nötig, mir die Augen auskratzen zu lassen«, sagte sie bissig. »Herr Mouret hatte mich nicht sehr gern … Ich bleibe hier, ich wärme mich lieber.«
    »Es wäre sehr nett von Ihnen, uns dann einen Topf Glühwein zu machen«, flüsterte ihr der Onkel ins Ohr. »Wein und Zucker sind da im Schrank. Wir werden das brauchen, wenn wir zurückkommen.«
    Macquart ließ seine Nichte nicht durch das Haupttor der Irrenanstalt hineingehen. Er wandte sich nach links, fragte an einer kleinen, niedrigen Pforte nach dem Wärter Alexandre, mit dem er ein paar halblaute Worte wechselte. Schweigend bogen sie dann alle drei in endlose Gänge ein. Der Wärter ging voran.
    »Ich werde hier auf dich warten«, sagte Macquart und blieb in einem kleinen Hof stehen. »Alexandre wird bei dir bleiben.«
    »Ich möchte gern allein sein«, murmelte Marthe.
    »Es könnte Madame übel ergehen«, entgegnete der Wärter mit ruhigem Lächeln. »Ich wage so schon viel.«
    Er ließ sie einen zweiten Hof überqueren und blieb vor einer kleinen Tür stehen. Als er den Schlüssel leise herumdrehte, begann er, die Stimme senkend, von neuem:
    »Haben Sie keine Angst … Seit
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