Die Eroberung von Plassans - 4
Einrichtung des Marienwerkes sehr geeignet bezeichnet worden war. Am Vorabend hatte der Bürgermeister eine sehr lange Unterredung mit dem Priester gehabt, und sie hatten sich mit einem langen Händedruck getrennt. Der Sekretär des Bürgermeisters hatte sogar gehört, wie sie sich mit »lieber Herr« titulierten. Das bewirkte eine Revolution zugunsten des Abbé. Von da an hatte er Anhänger, die ihn gegen die Angriffe seiner Feinde verteidigten.
Übrigens waren die Mourets Abbé Faujas˜ Ehrenschutz geworden. Von Marthe beschützt, als der Urheber eines guten Werkes bezeichnet, dessen Vaterschaft er bescheiden zurückwies, hatte er in den Straßen nicht mehr jenen demütigen Gang, mit dem er sonst dicht an den Mauern entlangstreifte. Er stellte seine neue Soutane in der Sonne zur Schau, ging mitten auf dem Fahrdamm. Von der Rue Balande bis zur Kirche SaintSaturnin mußte er schon eine große Zahl Grüße erwidern, bei denen man den Hut vor ihm zog. An einem Sonntag hatte ihn Frau de Condamin, als er aus der Vesper21 kam, auf dem Place de l˜Evêché aufgehalten und sich dort eine gute halbe Stunde lang mit ihm unterhalten.
»Na, Herr Abbé!« sagte Mouret lachend zu ihm. »Da stehen Sie nun im Geruch der Heiligkeit … Und wenn man bedenkt, daß vor nicht sechs Monaten ich der einzige war, der Sie in Schutz nahm! – Indessen würde ich an Ihrer Stelle mißtrauisch sein. Sie haben immer noch die bischöfliche Residenz gegen sich.«
Der Priester zuckte leicht die Achseln. Er wußte sehr wohl, daß die Feindseligkeit, der er immer noch begegnete, von der Geistlichkeit herrührte. Abbé Fenil hielt den zitternden Monsignore Rousselot unter der Härte seines Willens. Als der Generalvikar gegen Ende März eine kleine Reise unternahm, schien Abbé Faujas seine Abwesenheit zu nutzen, um dem Bischof mehrere Besuche abzustatten. Abbé Surin, der Privatsekretär, erzählte, »dieser Teufelsmensch« bleibe ganze Stunden mit Monsignore eingeschlossen, und dieser sei nach solchen langen Unterredungen in gräßlicher Stimmung. Als Abbé Fenil zurückkam, stellte Abbé Faujas seine Besuche ein, verschwand vor ihm wieder. Aber der Bischof blieb unruhig; es war offensichtlich, daß sich in seinem Wohlbefinden, dem Wohlbefinden eines sorglosen Prälaten, irgendeine Umwälzung vollzogen hatte. Bei einem Essen, das er seiner Geistlichkeit gab, war er zu Abbé Faujas, der doch immer noch nur ein untergeordneter Vikar an der Kirche SaintSaturnin war, besonders liebenswürdig. Abbé Fenils dünne Lippen kniffen sich noch mehr zusammen; seine Beichtkinder brachten ihn in verhaltenen Zorn, wenn sie sich höflich nach seiner Gesundheit erkundigten.
Für Abbé Faujas begann nun eine Zeit ungetrübter gelassener Heiterkeit. Er setzte sein ernstes Leben fort; nur nahm er eine liebenswürdige Ungezwungenheit an. An einem Dienstagabend triumphierte er endgültig. Er stand zu Hause an einem Fenster und genoß die ersten lauen Lüfte des Frühlings, als Herrn Péqueur des Saulaies Gäste in den Garten hinuntergingen und ihn von weitem grüßten. Frau de Condamin, die sich darunter befand, trieb die Vertraulichkeit so weit, mit ihrem Taschentuch zu winken. Aber im gleichen Augenblick nahmen auf der anderen Seite Herrn Rastoils Gäste vor dem Wasserfall auf Gartenstühlen Platz. Herr Delangre, der an der Terrasse der Unterpräfektur lehnte, erspähte dank der Abschüssigkeit des Geländes über den Garten der Mourets hinweg, was bei dem Richter vor sich ging.
»Sie werden sehen, daß sie nicht einmal geruhen werden, ihn zu bemerken«, murmelte er.
Er täuschte sich. Abbé Fenil, der wie zufällig den Kopf gewandt hatte, zog seinen Hut. Da taten die Priester, die dort waren, dasselbe, und Abbé Faujas erwiderte den Gruß. Nachdem er seinen Blick links und rechts langsam über die beiden Gesellschaften hatte schweifen lassen, ging er vom Fenster weg, zog seine weißen Vorhänge zu, die fromm verschwiegen waren.
Kapitel IX
Der April war sehr mild. Abends nach dem Essen verließen die Kinder das Wohnzimmer, um im Garten zu spielen. Da man hinten in dem engen Raum erstickte, gingen schließlich auch Marthe und der Priester auf die Terrasse hinunter. Sie setzten sich einige Schritte von dem weit offenen Fenster entfernt außerhalb des grellen Lichtstrahls der Lampe, die Streifen auf die hohen Büsche warf. Dort sprachen sie in der sinkenden Nacht über die tausend Sorgen des Marienwerkes. Diese fortwährende Beschäftigung mit der
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