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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Säle des Rathauses ging, und war doch wider ihren Willen bis ins Innerste von einem Schauer aufgewühlt. Sie litt darunter, sie kam gern zu diesem Leiden zurück.
    Abbé Faujas schien das langsame Erwachen, das sie jeden Tag mehr beseelte, nicht zu bemerken. Für sie blieb er ein geschäftiger, gefälliger Mann, der den Himmel beiseite ließ. Nie ließ er den Priester durchblicken. Zuweilen jedoch störte sie ihn bei einer Beerdigung; er kam im Chorhemd, sprach einen Augenblick mit ihr zwischen zwei Pfeilern, brachte einen unbestimmten Weihrauch und Wachsgeruch mit sich. Es war oft wegen einer Maurerrechnung, einer Forderung des Tischlers. Er gab genaue Zahlen an und ging davon, seinen Toten zu begleiten, während sie dort blieb, sich in dem leeren Kirchenschiff verweilte, in dem ein Kirchendiener die Kerzen löschte. Wenn Abbé Faujas mit ihr durch die Kirche schritt und sich vor dem Hauptaltar verneigte, hatte sie die Gewohnheit angenommen, sich ebenfalls zu verneigen, zuerst einfach anstandshalber; dann war dieser Gruß mechanisch geworden, und sie grüßte sogar, wenn sie allein war. Bis dahin bestand ihre ganze Frömmigkeit in dieser Verbeugung. Zwei oder dreimal kam sie, ohne es zu wissen, an hohen Feiertagen; aber wenn sie das Brausen der Orgel hörte, die Kirche voller Menschen sah, lief sie, von Angst erfaßt, davon, da sie nicht wagte, die Tür zu durchschreiten.
    »Nun!« fragte Mouret sie oft mit seinem Grinsen. »Wann ist deine erste Kommunion?«
    Er fuhr fort, ihr mit seinen Scherzen zuzusetzen. Sie antwortete nie; wenn er zu weit ging, heftete sie ihre starren Augen auf ihn, in denen kurz eine Flamme aufloderte. Nach und nach wurde er bitterer, ihm war nicht zum Spotten zumute. Nach Verlauf eines Monats wurde er dann ärgerlich.
    »Hat das Sinn und Verstand, sich mit dem Priestergesindel einzulassen!« schalt er an den Tagen, an denen er sein Essen nicht fertig fand. »Du bist jetzt ständig unterwegs, man kann dich nicht eine Stunde im Hause halten … Das wäre mir noch gleichgültig, wenn hier nicht alles darunter leiden würde. Aber meine Wäsche wird nicht mehr gestopft, der Tisch ist noch nicht einmal um sieben gedeckt, mit Rose kann man nicht mehr auskommen. Im Haus geht alles drunter und drüber.« Und er hob einen herumliegenden Scheuerlappen auf, verschloß eine vergessene Flasche Wein, wischte mit den Fingerspitzen den Staub von den Möbeln, peitschte seinen Zorn immer mehr auf und schrie: »Ich brauche bloß noch einen Besen zu nehmen, nicht wahr, und eine Küchenschürze umzubinden! – Du würdest das dulden, mein Ehrenwort! Du ließest mich den Haushalt machen, ohne es auch nur zu merken. Weißt du, daß ich heute früh zwei Stunden damit verbracht habe, diesen Schrank in Ordnung zu bringen? Nein, meine Gute, so kann das nicht weitergehen.«
    Mitunter brach der Streit wegen der Kinder aus. Beim Heimkommen hatte Mouret Désirée, »wie ein Ferkel zugerichtet«, ganz allein im Garten angetroffen, wie sie bäuchlings vor einem Ameisenloch lag, um zu sehen, was die Ameisen unter der Erde machten.
    »Es ist ja ein großes Glück, daß du nicht außerhalb schläfst!« rief er seiner Frau zu, sobald er sie erblickte. »Sieh dir doch deine Tochter an. Ich habe nicht zugelassen, daß sie sich umzieht, damit du dich an diesem schönen Anblick erfreuen kannst!«
    Das Mädchen weinte heiße Tränen, während sein Vater es nach allen Richtungen drehte.
    »Na! Schaut sie nicht hübsch aus? – Da sieht man, wie sich Kinder zurichten, wenn man sie allein läßt. Diese einfältige Kleine ist nicht daran schuld. Du wolltest dich früher nicht fünf Minuten von ihr trennen, du sagtest, sie würde Feuer legen … Jawohl, sie wird Feuer legen, alles wird niederbrennen, und das wird uns recht geschehen.«
    Als Rose Désirée weggeführt hatte, redete er stundenlang weiter.
    »Du lebst nun für die Kinder der anderen. Du kannst dich um deine Kinder nicht mehr kümmern. Das leuchtet mir ein … Oh, du bist schon dumm! Dich für einen Haufen liederlicher Dinger abzuhetzen, die sich über dich lustig machen, die in allen Winkeln der Wälle ihre Stelldichein haben! Geh doch eines Abends mal in Richtung Le Mail spazieren, du wirst sie mit dem Rock über dem Kopf sehen, diese Nichtswürdigen, die du unter den Schutz der Muttergottes stellst …« Er holte Atem, redete weiter: »Passe wenigstens auf Désirée auf, bevor du Dirnen aus der Gosse aufliest. Sie hat faustgroße Löcher in ihrem Kleid. Nächstens wird

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