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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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kindlichen Freuden einer Erstkommunikantin, der man Heiligenbilder versprochen hat, wenn sie artig ist. Zeitweise glaubte sie, wieder ein Kind zu werden; sie hatte eine Frische der Empfindungen, eine Kindlichkeit der Wünsche, die sie rührselig stimmten. Im Frühling überraschte Mouret, der seine hohen Buchsbaumbüsche beschnitt, sie mit tränenüberströmten Augen in der warmen Luft, hinten unter dem Laubengang inmitten junger Triebe.
    »Was hast du denn, meine Gute?« fragte er sie beunruhigt.
    »Nichts, versichere ich dir«, sagte sie lächelnd. »Ich bin zufrieden, sehr zufrieden.«
    Er zuckte die Achseln, während er mit der Gartenschere sorgfältig Schnitte ausführte, um die Linie der Buchsbaumbüsche schön ebenmäßig zu machen. Er setzte jedes Jahr eine große Eigenliebe darein, die untadeligsten Buchsbäume des Viertels zu haben.
    Marthe, die sich die Augen abgetrocknet hatte, weinte mit zusammengeschnürter Kehle von neuem große, heiße Tränen, war bis ins Herz gerührt von dem Duft all dieses abgeschnittenen Grüns. Sie war damals vierzig Jahre alt, und es war ihre Jugend, die da weinte.
    Abbé Faujas bekam indessen, seit er Pfarrer von SaintSaturnin war, eine sanfte Würde, die ihn noch größer zu machen schien. Großartig trug er sein Brevier und seinen Hut. An der Kathedrale hatte er sich durch einige Gewaltstreiche eingeführt, die ihm die Achtung der Geistlichkeit sicherten. Abbé Fenil, der erneut in zwei, drei Einzelfragen besiegt worden war, schien seinem Widersacher das Feld zu überlassen. Aber dieser beging nicht die Torheit, roh zu triumphieren. Er hatte einen eigenen Stolz, einen Stolz von überraschender Anpassungsfähigkeit und Demut. Er fühlte vollkommen, daß Plassans noch weit davon entfernt war, ihm zu gehören. Daher wechselte er, wenn er auch manchmal auf der Straße stehenblieb, um Herrn Delangre die Hand zu drücken, mit Herrn de Bourdeu, Herrn Maffre und den anderen Gästen des Präsidenten Rastoils lediglich kurze Grüße. Ein ganzer Teil der guten Gesellschaft der Stadt bewahrte ihm gegenüber großes Mißtrauen. Man beschuldigte ihn, höchst verdächtige politische Ansichten zu haben. Er sollte sich deutlich ausdrücken, indem er sich für eine Partei aussprach. Er aber lächelte, sagte, er gehöre zur Partei der ehrbaren Leute, was ihn jeder klaren Antwort enthob. Im übrigen zeigte er keinerlei Eile; er blieb weiterhin abseits und wartete darauf, daß sich die Türen von selber öffneten.
    »Nein, mein Freund, später werden wir sehen«, sagte er zu Abbé Bourrette, der ihn drängte, Herrn Rastoil einen Besuch abzustatten.
    Und man erfuhr, daß er zwei Einladungen der Unterpräfektur zum Abendessen abgelehnt hatte. Er verkehrte immer noch nur mit den Mourets. Er blieb dort gleichsam auf einem Beobachtungsposten zwischen den feindlichen Lagern. Wenn dienstags die beiden Gesellschaften rechts und links in den Gärten versammelt waren, stellte er sich ans Fenster, sah zu, wie in der Ferne die Sonne hinter den Wäldern der Seille unterging; dann senkte er, ehe er sich zurückzog, den Blick; er erwiderte in gleich liebenswürdiger Weise die Grüße von Rastoils her und die Grüße von der Unterpräfektur. Das waren bis dahin noch alle Beziehungen, die er zu den Nachbarn unterhielt.
    An einem Dienstag ging er jedoch in den Garten hinunter. Mourets Garten gehörte nun ihm. In den Stunden, in denen er sein Brevier las, begnügte er sich nicht mehr damit, sich hinten den Laubengang vorzubehalten; alle Gartenwege, alle Beete gehörten ihm; seine Soutane brachte schwarze Flecken in alles Grün. An jenem Dienstag machte er einen Rundgang, grüßte Herrn Maffre und Frau Rastoil, die er weiter abwärts erblickte; dann ging er unterhalb der Terrasse der Unterpräfektur entlang, auf der Herr de Condamin in Gesellschaft von Doktor Porquier stand und sich mit den Ellbogen aufstützte. Nachdem die Herren ihn gegrüßt hatten, ging er den Gartenweg wieder hinauf; da rief der Doktor ihn an.
    »Herr Abbé, auf ein Wort, bitte.« Und er fragte ihn, wann er ihn am nächsten Tag besuchen könne.
    Es war das erste Mal, daß eine der beiden Gesellschaften auf diese Weise, von einem Garten zum anderen, das Wort an den Priester richtete.
    Der Doktor war in großer Sorge: sein Sohn, dieser Schlingel, war gerade mit einer Bande anderer Taugenichtse in einem anrüchigen Haus hinter dem Gefängnis erwischt worden. Das schlimmste war, daß Guillaume beschuldigt wurde, der Anführer der Bande zu sein und

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