Die Erscheinung
Namen genannt. »Wie Daddy!«, fügte sie wieder hinzu und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Offenbar war dies das höchste Lob aus ihrem Mund.
»Besten Dank für das Kompliment.« Was sollte er jetzt mit ihr machen? Er wollte nicht einfach seine Skier abschnallen und davongehen. Andererseits konnte er sie nicht ins Hotel mitnehmen. »Triffst du deine Mom irgendwo?« Sicher drohte ihr in Charlemont, unter all den Urlaubern, keine Gefahr. Aber sie war noch ein Kind, und er fand, er dürfte sie nicht sich selbst überlassen.
»Ja, zum Lunch.«
»Dann begleite ich dich.« Obwohl er sich nie zuvor mit Kindern abgegeben hatte, wurde er plötzlich von einem eigenartigen Beschützerinstinkt erfasst. Er verstand selbst nicht, warum er so gern mit Monique zusammen war.
»Danke.« Auf dem Weg zum Kiosk bei der Talstation, im dichten Gedränge zahlloser Skifahrer, hielt sie vergeblich nach ihrer Mutter Ausschau. »Ich sehe sie nirgends. Vielleicht ist sie schon wieder mit dem Lift hinaufgefahren. Sie isst nicht viel.«
»Und was möchtest du?«
»Einen Hot Dog, Pommes frites und einen Schokoshake. Bei Daddy in Frankreich muss ich immer dieses Gourmet-Zeug essen. Igitt!« Angewidert schnitt sie eine Grimasse, und er lachte, als er ihren Lunch bezahlte. Er selbst entschied sich für einen Hamburger und eine Cola. Wenig später fanden sie einen freien Tisch im Sonnenschein und setzten sich.
Nachdem sie ihren Lunch zur Hälfte verspeist hatten, sprang Monique plötzlich auf und winkte heftig. Charlie drehte sich um, musterte die fröhliche Menschenmenge, die in schweren Skistiefeln vorbeistapfte, von den Abfahrten des Vormittags schwärmte und die Rückkehr auf die Pisten kaum erwarten konnte. Wen mochte das Kind entdeckt haben? Und dann stand eine große schlanke Frau neben dem Tisch in einem eleganten, pelzbesetzten beigen Parka, einer Stretchhose und einem Pullover in der gleichen Farbe. Dazu trug sie eine beige Strickmütze. Sehr stilvoll, dachte Charlie. Seltsam - warum kam sie ihm bekannt vor? Vielleicht war sie ein Model, und ihre Wege hatten sich irgendwann in Europa gekreuzt.
Die Stirn gerunzelt, nahm sie ihre Sonnenbrille ab, warf ihm einen kurzen Blick zu und wandte sich entrüstet zu ihrer Tochter. »Wo warst du? Ich habe dich überall gesucht. Um zwölf wollten wir uns hier treffen.«
Zerknirscht schaute Monique zu ihrer Mom auf, und Charlie staunte über die eisige Miene der eleganten jungen Frau. War sie wirklich die Mutter dieses warmherzigen Kindes? Andererseits hatte sie sich Sorgen gemacht, und das konnte er ihr nicht verdenken.
»Tut mir Leid, wahrscheinlich war's meine Schuld«, gestand er. »Wir saßen zusammen im Lift und kamen ins Gespräch. Und bei der Abfahrt ließen wir uns Zeit.«
Mit dieser Erklärung schürte er den Zorn der jungen Frau. »Sie ist erst acht!«, fauchte sie. In diesem Moment verstärkte sich das Gefühl, er müsste ihr schon einmal begegnet sein. Wo, konnte er nach wie vor nicht einordnen. »Wer hat deinen Lunch bezahlt, Monique?«, herrschte sie das Kind, das den Tränen nahe war, gnadenlos an.
»Ich«, erklärte er und bedauerte seine kleine Freundin zutiefst. »Wenn ich mich vorstellen darf - Charles Waterston …«
Doch sie beachtete ihn nicht. »Und was ist mit dem Geld passiert, das ich dir heute Morgen gegeben habe?« Erbost riss Francesca Vironnet ihre Mütze vom Kopf und enthüllte eine lange kastanienrote Mähne. Wie Charlie bereits bemerkt hatte, schimmerten ihre Augen in leuchtendem Grün. Die Tochter glich ihr kein bisschen.
»Das habe ich verloren.« Jetzt konnte Monique die Tränen nicht länger zurückhalten. »Tut mir Leid, Mummy …« Hastig schlug sie die Hände vors Gesicht, damit Charlie sie nicht weinen sah.
»So schlimm ist es doch gar nicht«, versuchte er beide zu trösten. Er fühlte sich schrecklich, weil Monique seinetwegen in Schwierigkeiten geriet. Erst hatte er ihr Verspätung verursacht und dann auch noch ihren Lunch bezahlt. Natürlich war alles ganz harmlos, und er hatte gewiss nicht versucht, sich an das achtjährige Kind heranzumachen. Doch die Mutter schien das anders zu sehen. Ärgerlich dankte sie ihm. Dann packte sie Monique am Arm, zerrte sie davon und erlaubte ihr nicht einmal, den Lunch zu beenden. Charlie starrte den beiden nach. Nun stieg auch in ihm Zorn auf. Es war wirklich überflüssig gewesen, eine solche Szene zu machen und das Kind in Verlegenheit zu bringen. Natürlich durfte sich Monique nicht von fremden Männern
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