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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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hoch.
    Sehe ich für ihn eher nach Willamette aus als nach Winnifred. Wer weiß. Aus der Nähe betrachtet sind seine Wangen vom Rasieren stark gerötet. Heute Morgen hat er sich rasiert, weil Linda gestern Abend sagte, er sehe aus wie ein gemeiner Strolch. Bart oder nicht Bart, das ist hier die Frage, deklamierte er, worauf sie sagte: Ob’s edler im Gesicht, die spitzen Stoppeln zu erdulden. Ich finde nicht. Darum hat er ihn heute Morgen abrasiert, und ich hörte, wie er vor dem Spiegel über den Verlust eines Herzogtums sinnierte.
    Wir stehen zusammen am Fenster. In der einen Hand hält er mich, in der anderen Im Bett mit Macbeth . Er schaut in das Buch, dann schließt er die Augen und sagt, er wolle seinen Stab brechen und begraben und danach sein Buch ertränken. Der Stab bin dann wohl ich.
    Er verhaspelt sich. Lässt die Schultern hängen. Ich sinke auf Hüfthöhe.
    Ich geh nach draußen, eine rauchen, sagt er.
    Er legt Im Bett mit Macbeth aufgeklappt auf den Couchtisch und stellt mich darauf ab. Bin ich etwa schon so weit gesunken, dass ich mich jetzt als schnödes Lesezeichen missbrauchen lassen muss. Shakespeare hin oder her.
    Obwohl Chuck in der Wohnung nicht rauchen darf, fragte er Linda gestern Abend, als er sich seine Zigaretten schnappte und zufällig mitbekam, wie ich den Kopf aus dem Fenster meines Schlosses streckte, warum er es nicht einfach wie die Scheißschildkröte halten und den Kopf zum Rauchen aus dem Fenster strecken könne.
    Seit wann rauche ich, fragte ich mich.
    Linda sagte: Wir wollen doch den Nachbarn keinen Schreck einjagen.
    Chuck zieht seinen langen Mantel über seine Boxershorts und geht nach draußen, eine rauchen, während ich Lesezeichen spiele. Da klingelt das Telefon.
    Das Telefon klingelt, und niemand nimmt ab. Ich zähle die Klingelzeichen. Vier. Dann springt der Anrufbeantworter an, und sie ist es.
    Ich hebe den Kopf.
    Sie ist es, und sie hinterlässt eine Nachricht, und ich kann sogar ihre Stimme hören, weil Linda und Chuck keine geheime Voicemail haben, die im Telefon bleibt, sondern eine echte Voicemail, die ihre Stimme ins Zimmer überträgt. Das zufällig das Zimmer ist, in dem ich mich befinde.
    Hallo Linda. Du bist wahrscheinlich bei der Arbeit.
    Sie ist es wirklich. Sie sagt meinen Namen. Sie sagt etwas Fischiges. Dann fällt das Wort Seetang . Ihre Stimme wird ganz fischig, wenn sie Seetang sagt. Sie fängt an zu zittern.
    Dann: Der Schildkröt lebt nicht vom Salat allein!
    Was du nicht sagst. Komm zurück.
    See. Und dann nichts mehr.
    Shakespeares Verse verschwimmen unter meinen Füßen.
    Sie klang eigentlich wie immer, nur anders. Kommt sie mir vielleicht nur deshalb anders vor, weil ich mich inzwischen so sehr an Chucks Shakespeare-Englisch gewöhnt habe, dass er allmählich zum neuen Mieter zu werden droht. Gott behüte. Wehe mir.
    Mich dünkt, ich brauche einen Plan. Ich muss nach Kanada. Ich könnte zu Fuß gehen. Ich habe das Land schon mal zu Fuß durchquert. Zumindest teilweise. Warum sollte mir das nicht ein zweites Mal gelingen. Vielleicht finde ich ja auch ein Armaturenbrett, dass mich gen Osten trägt.
    Ich blicke zur Tür.
     
    Nachdem sie eine Zeit lang die Wände hochgegangen war, unternahmen wir spontane »Ausf lüge«, die uns in erster Linie an Orte führten, wo Andrey Berge vermutete. Und damit Cliff. Zuerst klapperten wir Oregon ab. Wir fuhren in die Wüste. Was es in Oregon nicht alles gibt. Wir machten in einem Städtchen namens Bend Station und wohnten in einem Motel mit dem schönen Namen Swerve Right Inn. Das Swerve wurde gerade renoviert, deshalb bekam sie einen Preisnachlass, musste dafür allerdings einen Teil des Badezimmers kacheln. Aus unserem Zimmer blickte man auf drei Berge namens The Three Sisters. Während sie kachelte, bewunderte ich die Aussicht und fragte mich, ob Cliff womöglich gerade dabei war, eine der drei Schwestern zu besteigen. Tags darauf fuhren wir durch ein Gewitter in die Berge, aber kein Cliff weit und breit. Ich fuhr auf dem Armaturenbrett, und sie sagte: Wenn am Horizont ein Blitz einschlägt, sieht es aus, als würde er in deinen Panzer fahren.
    War das nicht ein Mordsspaß, sagte sie, als wir nach Hause kamen.
    Dann fuhren wir ans Meer. Es ging die ganze Zeit bergab. Wir überholten Radfahrer, die nicht ein einziges Mal in die Pedale treten mussten. Wir kamen an einen Strand voller Hunde. Sie verliebte sich in einen Basset und überlegte, ob sie sich einen Hund anschaffen sollte. Etwas mit langen Ohren, die

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