Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman
müssten eigentlich über die großen Themen wie Liebe und Echtheit und Wichtigkeit und Chappi reden, doch stattdessen sprachen sie über Alltägliches wie die Interviews mit den Gutshotern. Es wurden keine Witze gemacht, und Hassan beschwerte sich, dass er plötzlich »der Einzige in der Familie« war, der noch Sprüche klopfte. Langsam kehrten sie zum Status quo zurück: Lindsey hatte einen Freund, und Colin hatte ein gebrochenes Herz und ein Theorem, das er vollenden wollte. Außerdem hatte Hassan eine Freundin, und alle drei bereiteten sich auf die Schweinejagd vor – und so war alles wieder ganz normal.
Am Tag vor seiner allerersten Schweinejagd tat Colin Singleton das, was Colin Singleton immer tat, wenn er sich einer neuen Aufgabe gegenübersah: Er las sich ein. Er blätterte zehn Foxfire -Bände durch, um sich über Lebensgewohnheiten und Habitat des ausgewilderten amerikanischen Hausschweins zu informieren. Bei Google fand er heraus, dass die aggressiven Streuner im Staat Tennessee so verhasst waren, dass sie zum Abschuss freigegeben waren. Das sus domestica feralis wurde als Schädling bezeichnet und fiel damit nicht unter die Bestimmungen, die etwa Rotwild oder Menschenleben schützten.
Die aufschlussreichste Beschreibung der seltsamen Spezies fand Colin schließlich in Hollis’ Ausgabe des Buchs Unsere südlichen Highlands : »Es ist allseits bekannt, dass, wenn es 69 nicht gerade mit dem Rüssel im Boden wühlt oder schläft, es stets dabei ist, Teufeleien auszuhecken. Das Schwein verfügt über ein bemerkenswertes Verständnis der menschlichen Sprache, vor allem unflätiger, und sogar über die unheimliche Gabe, Gedanken zu lesen, falls diese sich gegen den Frieden und die Würde seiner Schweinerasse richten.« Ganz offensichtlich handelte es sich um einen ernst zu nehmenden Gegner.
Nicht, dass Colin vorhatte, irgendetwas zu unternehmen, das gegen den Frieden und die Würde der Schweinerasse gerichtet wäre. In dem äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass ihm überhaupt ein Schwein über den Weg lief, so beruhigte er sich, würde er es in aller Ruhe seine Teufeleien aushecken lassen. Und mit ebendiesem Grund rechtfertigte er, dass beim allabendlichen Telefonrapport an seine Eltern die Schweinejagd gänzlich unerwähnt blieb. Schließlich hatte er nicht vor zu jagen . Er machte einen Ausflug in den Wald. Mit einer Flinte.
Am Morgen der Jagd klingelte um vier Uhr dreißig der Wecker. Es war das erste Mal in Gutshot, dass Colin vor dem Hahn aufwachte, und so riss er das Fenster auf, drückte das Gesicht gegen das Fliegengitter und schrie aus vollem Hals: »KIKERIKI! NA, SIR HÄHNCHEN, WIE GEFÄLLT ES DIR AUF DER ANDEREN SEITE?«
Als Colin unter der Dusche stand, kam Hassan ins Bad, um sich die Zähne zu putzen, und erklärte verschlafen: »Kafir, ich sag dir was im Vertrauen. Am heutigen Tag soll keine Sau vor die Hunde gehen. Ich darf die dreckigen Viecher noch nicht mal essen 70 , da werde ich erst recht keins um die Ecke bringen.«
»Amen«, sagte Colin.
Punkt fünf saßen sie im Leichenwagen, mit Lindsey und Prinzessin auf dem Rücksitz.
»Wozu der Hund?«, fragte Hassan.
»Chase und Fulton nehmen sie zum Jagen mit. Nicht, dass sie einen Finger krumm macht. Der armen Prinzessin sind ihre Locken wichtiger als jede Schweinefährte. Aber den Jungs macht es Spaß, sie wie einen Jagdhund zu behandeln.«
Ein paar Kilometer nach dem General Store nahmen sie eine ungepflasterte Straße, die sich durch den dichten Wald den Hügel hinaufschlängelte.
»Das Land hier will Hollis nicht verkaufen«, beschwerte sich Lindsey, »weil alle es mögen.«
Der Weg endete vor einer kleinen niedrigen Jagdhütte. Zwei Pick-up-Trucks und Chase’ Bronco parkten bereits vor dem Blockhaus. DAC und JAK mit den engen Jeans saßen auf der Pritsche des einen Trucks und ließen die Beine baumeln. Ihnen gegenüber saß ein Mann Mitte vierzig auf einem Plastikstühlchen, das aussah, als hätte er es aus einem Grundschulzimmer mitgehen lassen, und untersuchte den Lauf seiner Schrotflinte. Alle trugen Hosen und langärmelige Hemden in Tarnfarben, mit grellorangenen Westen darüber.
Als der Mann aufsah, erkannte Colin Townsend Lyford, einen der Arbeiter, die sie interviewt hatten. »Na, wie steht’s bei euch?«, rief Mr. Lyford, als sie aus dem Wagen stiegen. Er schüttelte Hassan und Colin die Hand, dann drückte er Lindsey. »Schöner Tag für die Schweinejagd«, sagte er.
»Bisschen früh«, erwiderte Colin,
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