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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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haben ihre Augen überall, und wo sie’s rauchen sehen,
    schreien sie gleich Feurio.
    Ja, wenn ich doch aber dein Schatz bin , erinnerte Karl etwas weinerlich.
    Sie lachte.
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    Mein Schatz! Was heißt jetzt das wieder! Sag das einmal der Babett oder
    deinem Vater daheim, oder deinem Lehrer! Ich hab dich ja ganz gern und will
    nicht unrecht mit dir sein, aber eh du mein Schatz sein könntest, da müßtest du vorher ein eigner Herr sein und dein eignes Brot essen, und bis dahin ist’s doch noch recht lang. Einstweilen bist du einfach ein verliebter Schulbub, und wenn ich’s nicht gut mit dir meinte, würd ich gar nimmer mit dir darüber
    reden. Deswegen brauchst du aber nicht den Kopf zu hängen, das bessert
    nichts.
    Was soll ich dann tun? Hast du mich nicht gern?
    O Kleiner! Davon ist doch nicht die Rede. Nur vernünftig sein sollst du
    und nicht Sachen verlangen, die man in deinem Alter noch nicht haben kann.
    Wir wollen gute Freunde sein und einmal abwarten, mit der Zeit kommt schon
    alles, wie es soll.
    Meinst du? Aber du, etwas hab ich doch sagen wollen –
    Und was?
    Ja, sieh – nämlich –
    Red doch!
    – ob du mir nicht auch einmal einen Kuß geben willst.
    Sie betrachtete sein rotgewordenes, unsicher fragendes Gesicht und seinen
    knabenhaften, hübschen Mund, und einen Augenblick schien es ihrnahezu er-
    laubt, ihm den Willen zutun. Dann schalt sie sich aber sogleich und schüttelte streng den blonden Kopf.
    Einen Kuß? Für was denn?
    Nur so. Du mußt nicht bös sein.
    Ich bin nicht bös. Aber du mußt auch nicht keck werden. Später einmal
    reden wir wieder davon. Kaum kennst du mich und willst gleich küssen! Mit
    so Sachen soll man kein Spiel treiben. Also sei jetzt brav, am Sonntag seh ich dich wieder, und dann könntest du auch einmal deine Geige bringen, nicht?
    Ja, gern.
    Sie ließ ihn gehen und sah ihm nach, wie er nachdenklich und ein wenig un-
    lustig davonschritt. Und sie fand, er sei doch ein ordentlicher Kerl, dem sie nicht zu weh tun dürfe.
    Wenn Tines Ermahnungen auch eine bittere Pille für Karl gewesen waren,
    er folgte doch und befand sich nicht schlecht dabei. Zwar hatte er vom Lie-
    beswesen einigermaßen andre Vorstellungen gehabt und war anfangs ziemlich
    enttäuscht, aber bald entdeckte er die alte Wahrheit, daß Geben seliger als
    Nehmen ist und daß Lieben schöner ist und seliger macht als Geliebtwerden.
    Daß er seine Liebe nicht verbergen und sich ihrer nicht schämen mußte, son-
    dern sie anerkannt, wenn auch zunächst nicht belohnt sah, das gab ihm ein
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    Gefühl der Lust und Freiheit und hob ihn aus dem engen Kreis seiner bis-
    herigen unbedeutenden Existenz in die höhere Welt der großen Gefühle und
    Ideale.
    Bei den Zusammenkünften der Mägde spielte er jetzt jedesmal ein paar
    Stücklein auf der Geige vor.
    Das ist bloß für dich, Tine , sagte er nachher,
    weil ich dir sonst nichts
    geben und zulieb tun kann.
    Der Frühling rückte näher und war plötzlich da, mit gelben Sternblumen auf
    zartgrünen Matten, mit dem tiefen Föhnblau ferner Waldgebirge, mit feinen
    Schleiern jungen Laubes im Gezweige und wiederkehrenden Zugvögeln. Die
    Hausfrauen stellten ihre Stockscherben mit Hyazinthen und Geranien auf die
    grünbemalten Blumenbretter vor den Fenstern. Die Männer verdauten mittags
    unterm Haustor in Hemdärmeln und konnten abends im Freien Kegel schieben.
    Die jungen Leute kamen in Unruhe, wurden schwärmerischer und verliebten
    sich.
    An einem Sonntag, der mildblau und lächelnd über dem schon grünen Fluß-
    tal aufgegangen war, ging die Tine mit einer Freundin spazieren. Sie wollten eine Stunde weit nach der Emanuelsburg laufen, einer Ruine im Wald. Als sie
    aber schon gleich vor der Stadt an einem fröhlichen Wirtsgarten vorüberka-
    men, wo eine Musik erschallte und auf einem runden Rasenplatz ein Schleifer
    getanzt wurde, gingen sie zwar an der Versuchung vorüber, aber langsam und
    zögernd, und als die Straße einen Bogen machte, und als sie bei dieser Win-
    dung noch einmal das süß anschwellende Wogen der schon ferner tönenden
    Musik vernahmen, da gingen sie noch langsamer und gingen schließlich gar
    nicht mehr, sondern lehnten am Wiesengatter des Straßenrandes und lausch-
    ten hinüber, und als sie nach einer Weile wieder Kraft zum Gehen hatten, war doch die lustig-sehnsüchtige Musik stärker als sie und zog sie rückwärts.
    Die alte Emanuelsburg läuft uns nicht davon , sagte die Freundin, und
    damit trösteten sich beide und traten

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