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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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wenn die Lies aus Scham und der Beckeler aus Klug-
    heit schwieg, die Kinder taten es nicht, sondern verbreiteten die Kunde von
    Kömpffs großartiger Laune in der ganzen Stadt.
    Merkwürdig war es, daß er selber wider diese Freigebigkeit kämpfte und sich
    vor ihr fürchtete. Nachdem er tagsüber Pfunde verschenkt und verschwendet
    hatte, befiel ihn abends beim Geldzählen und beim Buchführen Entsetzen über
    diese liederliche, unkaufmännische Wirtschaft. Angstvoll rechnete er nach und versuchte seinen Schaden zu berechnen, sparte beim Bestellen und Einkaufen,
    forschte nach wohlfeilen Quellen, und alles nur, um andern Tages von neuem
    zu vergeuden und seine Freude am Geben zu haben. Die Kinder jagte er bald
    scheltend fort, bald belud er sie mit guten Sachen. Nur sich selber gönnte
    er nichts, er sparte am Haushalt und an der Kleidung, gewöhnte sich den
    Nachmittagskaffee ab und ließ das Weinfäßchen im Keller, als es leer war,
    nicht mehr füllen.
    Die mißlichen Folgen ließen nicht lange auf sich warten. Kaufleute beschwer-
    ten sich mündlich und in groben Briefen bei ihm, daß er ihnen mit seinem sinn-losen Dreingeben und Schenken die Kunden weglocke. Manche solide Bürger
    und auch schon mehrere seiner Kunden vom Lande, die an seinem veränderten
    Wesen Anstoß nahmen, mieden seinen Laden und begegneten ihm, wo sie ihm
    nicht ausweichen konnten, mit unverhohlenem Mißtrauen. Auch stellten ihn
    die Eltern einiger Kinder, denen er Leckereien und Feuerwerk gegeben hatte,
    ärgerlich zur Rede. Sein Ansehen unter den Honoratioren, mit dem es schon
    einige Zeit her nicht glänzend mehr ausgesehen hatte, schwand dahin und
    ward ihm durch eine zweifelhafte Beliebtheit bei den Geringen und Armen
    doch nicht ersetzt. Ohne diese Veränderungen im einzelnen allzu schwer zu
    nehmen, hatte Kömpff doch das Gefühl eines unaufhaltsamen Gleitens ins
    Ungewisse. Es kam immer häufiger vor, daß er von Bekannten mit spöttischer
    oder mitleidiger Gebärde begrüßt wurde, daß auf der Straße hinter ihm ge-
    sprochen und gelacht ward, daß ernste Leute ihm mit Unbehagen auswichen.
    Die paar alten Herren, die zur Freundschaft seines Vaters gehört hatten und
    einigemal mit Vorwürfen, Rat und Zuspruch zu ihm gekommen waren, blieben
    bald aus und wandten sich ärgerlich von ihm ab. Und immer mehr verbreitete
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    sich in der Stadt die Ansicht, Walter Kömpff sei im Kopf nimmer recht und
    gehöre bald ins Narrenhaus.
    Mit der Kaufmannschaft war es jetzt zu Ende, das sah der gequälte Mann
    selber am besten ein. Aber ehe er die Bude endgültig zumachte, beging er
    noch eine Tat unkluger Großmut, die ihm viele Feinde machte.
    Eines Montags verkündete er durch eine Anzeige im Wochenblatt, von heute
    an gebe er jede Ware zu dem Preis, den sie ihn selber koste.
    Einen Tag lang war der Laden voll wie noch nie. Die feinen Leute blie-
    ben aus, sonst aber kam jedermann, um von dem offenbar übergeschnappten
    Händler seinen Vorteil zu ziehen. Die Waage kam den ganzen Tag nicht zum
    Stillstand, und das Ladenglöcklein schellte sich heiser. Körbe und Säcke voll spottbillig erworbener Sachen wurden fortgetragen. Die Holderlies war außer
    sich. Da ihr Herr nicht auf sie hörte und sie aus dem Laden verwies, stellte sie sich in der Haustür auf und sagte jedem Käufer, der aus dem Laden kam, ihre
    Meinung. Es gab einen Skandal über den andern, aber die verbitterte Alte
    hielt aus und suchte jedem, der nicht ganz dickfellig war, seinen wohlfeilen Einkauf ordentlich zu versalzen.
    Willst nicht auch noch zwei Pfennig geschenkt haben?
    fragte sie den
    einen, und zum andern sagte sie:
    Das ist nett, daß Ihr wenigstens den La-
    dentisch habt stehenlassen.
    Aber zwei Stunden vor Feierabend erschien der Bürgermeister in Beglei-
    tung des Amtsdieners und befahl, daß der Laden geschlossen werde. Kömpff
    weigerte sich nicht und machte sogleich die Fensterläden zu. Tags darauf muß-
    te er aufs Rathaus und wurde nur auf seine Erklärung, daß er sein Geschäft
    aufzugeben entschlossen sei, mit Kopfschütteln wieder laufen gelassen.
    Den Laden war er nun los. Er ließ seine Firma aus dem Handelsregister
    streichen, da er sein Geschäft weder verpachten noch verkaufen wollte. Die
    noch vorhandenen Vorräte, soweit sie dazu paßten, verschenkte er wahllos an
    arme Leute. Die Lies wehrte sich um jedes Stück und brachte Kaffeesäcke und
    Zuckerhüte und alles, wofür sie irgend Raum fand, für den Haushalt beiseite.
    Ein entfernter

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