Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
Vom Netzwerk:
Federn , Berlin, oder
    dem Feuilletonvertrieb von Cecilie Tandler, Wien, solchen Blättern angeboten wurde, mit denen Hesse in keinem direkten Kontakt stand.
    Die Erzählungen werden hier in der Reihenfolge ihrer Entstehung abge-
    476
    druckt, wobei sich geringfügige Abweichungen zwischen den vom Herausgeber
    ermittelten Entstehungsdaten und Hesses eigenen Datierungen ergaben. In ei-
    nem Brief an einen sei ner ersten Biographen, Hans Rudolf Schmidt, schrieb
    Hesse dazu am 18.1.1925:
    Jahresangaben kommen in meinem sonst guten
    Gedächtnis kaum vor, und ich sehe mein Leben nie historisch an, sondern als
    Märchen, in dem keine Zahlen vorkommen.
    Nahezu die Hälfte aller Erzählungen Hesses sind Erinnerungen an Kindheit
    und Schuljahre, an die Spannung zwischen Domestizierung und Freiheit, zwi-
    schen Gemeinschaft und Individuation, Neugierde und Tabus, instinktiven und
    althergebrachten Verhaltensmustern. Sie schildern Begebenheiten, die in ei-
    nem Alter erlebt wurden, in welchem die Psychoanalyse die nachhaltigsten und für die spätere Entwicklung der Persönlichkeit entscheidendenden Prägungen
    zu suchen gelernt hat. Hesse selbst hat es so formuliert:
    Der Mensch erlebt
    das, was ihm zukommt, nur in der Jugend, in seiner ganzen Schärfe und Fri-
    sche, so bis zum dreizehnten, vierzehnten Jahr und davon zehrt er sein Leben lang.
    (Roßhalde).
    Die ersten fünfzehn Jahre seiner schriftstellerischen Tätigkeit könnte man
    wie Marcel Proust geradezu
    à la recherche du temps perdu
    als ein Aufarbei-
    ten und möglichst genaues Rekonstruieren dieser frühen Eindrücke bezeichnen.
    Erst nachdem sie gestaltet und aus den halbbewußten Speichern der Erinne-
    rung befreit, ins Bild und Bewußtsein der Gegenwart übersetzt waren, erwies
    sich die Basis als tragfähig genug für künftige Entwicklungen und Metamor-
    phosen. Doch hat Hesses intensive Beschäftigung mit Themen der Kindheit,
    Pubertät und Entwicklung auch noch andere Gründe. Pubertät, also Notwen-
    digkeit und Bereitschaft zu Wandlung, Entfaltung und Emanzipation war für
    ihn nichts Einmaliges, auf ein bestimmtes Alter Festgelegtes, sondern gera-
    dezu eine Grunddisposition. Seine gesamte Biographie und somit auch seine
    schriftstellerische Entwicklung und Wirkung stand unter diesem Vorzeichen,
    das sein späterer Verleger Peter Suhrkamp einmal so beschrieben hat:
    Es gibt
    unter den lebenden Autoren kaum einen, der so oft seinen eigenen Leichnam
    hinter sich begrub und jedesmal auf einer anderen Stufe wieder neu anfing.
    Und jedesmal geschah das aus einerwirklichenund ehrlichen Not heraus, und
    wenn man die ganze Existenz dann überblickt, so ist sie doch eine Einheit
    geblieben.
    Obwohl ein knappes Drittel der Erzählungen in Hesses Geburts stadt spie-
    len, hat er keineswegs seine ganze Kindheit dort zugebracht. Sein drittes bis achtes Lebensjahr verbrachte er in Basel, wohin sein Vater, der Theologe Johannes Hesse (1847–1916), im April 1886 von der evangelischen Missionsgesellschaft berufen wurde, um dort ein Missionsmagazin herauszugeben und einen
    477
    Lehrauftrag zu übernehmen. Erst im Juli 1886 kehrte die Familie wieder nach
    Calw zurück. Hermann Hesse war damals gerade neun Jahre alt geworden
    und verbrachte dort, unterbrochen von längeren Aufenthalten in der Latein-
    schule von Göppingen, dem Maulbronner Seminar, den Heilanstalten von Boll
    und Stetten sowie einer neunmonatigen Gymnasialzeit in Cannstatt insge-
    samt nur noch drei Jahre. Dennoch wurde Calw für ihn, was das französische
    Provinzstädtchen Illiers für Marcel Proust oder was die Metropolen Dublin
    und Prag für James Joyce bzw. Kafka bedeuteten: Schauplatz der frühesten
    Eindrücke und Erlebnisse, Nährboden für ein Lebenswerk, das im Lokalen das
    Überregionale, im Zeitgebundenen das zeitlos Menschliche sichtbar macht. Das ländliche Städtchen an der Nagold, auf der in Hesses Kindheit noch Flöße aus Schwarzwälder Tannenstämmen mit dem Bestimmungsziel Holland befördert
    wurden, seine nahen Wälder, die Brücken, Schleusen und Schilfufer waren ein
    in sich geschlossener Mikrokosmos, ebenso schwäbisch wie international. Denn in dieser kleinen Welt standen den fahrenden Händlern, den Flößern und Landstreichern die Seßhaften gegenüber, und Hesses schwäbischer, doch als Mis-
    sionarstochter in Indien geborener Mutter der baltische Vater mit russischer Staatsangehörigkeit. In diesen multikulturellen Kraftfeldern ist er aufgewachsen und hat nicht erst in

Weitere Kostenlose Bücher