Die Erziehung - Roman
schaffen. Der Vater reißt die Hand los, das Gesicht entstellt vom Zorn. Nur das tote Fleisch zählt. Die Strömung brodelt zwischen ihren Schenkeln, der Druck auf ihre Beine zwingt sie, sich am Baumstamm festzuklammern, um vorwärtszukommen. Das rachsüchtige Wasser erfasst ihre Hüften, der Vater geht weiter, und Gaspard schaut zu, wie sich die schlammige Brühe flussabwärts stürzt. Der Fluss lässt eine Sintflut über sie niedergehen, der sie nicht lange werden standhalten können. Bald ist der Erzeuger beim Schweinekadaver angelangt. Sein Fleisch liegt offen, die Eingeweide rollen sich auf und stürzen im Strom davon. Das Blut zeichnet lange Schlangen in den Fluss, der Körper bietet sich dem Pulsschlag des Wassers dar. Ein dicker Ast stürzt auf sie zu, Gaspard sieht ihn herannahen. Er verschwindet in den Fluten, taucht wieder auf. Er müsste den Vater warnen, der noch immer vorwärtsgeht, aber würde er ihn überhaupt hören? Der Sohn rührt sich nicht. Der Ast ist auf ihrer Höhe, prallt gegen den Vater, wirbelt herum und treibt davon, um weiter unten zu verschwinden. Betäubt von dem Schlag bricht der Vater zusammen. Seine Stirn ist offen, sein Gesicht blutüberströmt. Er verschwindet einen Augenblick unter den Fluten, dann taucht er wieder auf, stößt ein verblüfftes Rülpsen in die Richtung des Sohnes aus. Er versucht sich aufzurichten, die Strömung zieht ihn unter den Stamm, schlingt Zweige und Algen um seine Beine, erfasst seine Taille und seinen Bauch. Die tobende Flut überdeckt die Schreie des Erzeugers. Gaspard betrachtet das Gesicht, auf dem der Zorn dem Schrecken gewichen ist. Die Wange des Vaters schlägt obszön gegen das bleiche Fleisch, die langen Borsten des Schweins.
IV
DIE ERZIEHUNG
NACH ETIENNE V.
Er erwachte in seinem Zimmer. Die Jagdpartie war ein schmerzhafter, gelblicher Alptraum. Am Fußende des Bettes saß Raynaud. Gaspard sah seine zerknitterte Miene, seinen schlaffen Mund, dann fiel sein Blick auf die Kleidung, die er am Morgen mit so viel Stolz getragen hatte. Dieses Detail nahm ihm sämtliche Hoffnung, die Parforcejagd und Etiennes Rückkehr nur geträumt zu haben. Niemand hatte sich um das verdreckte Bündel gekümmert. Gaspard gab dem Baron nicht zu erkennen, dass er aufgewacht war. Sein Schädel schmerzte, und er wollte nicht, dass der Greis an seine Seite kam. Raynaud würde seine Hand nehmen, einen Atemhauch voller Erwartung und Sorge in sein Gesicht pusten. So schloss er die Lider wieder, versuchte, seine Erinnerungen zu sammeln und auf klare Gedanken zu kommen. Quimper ist wiederaufgetaucht , stellte Gaspard ernüchtert fest. Es war später Nachmittag, und das Licht fiel schräg auf sein Bett, bildete auf dem Laken ein Dreieck und überflutete den Fußboden. Man hatte ihn wohl hierhergetragen; er konnte sich nicht erinnern, wie er ins Schloss zurückgekehrt war. Er musste im Nachthemd sein, man hatte ihn ausgezogen. Hatte man es für nötig befunden, einen Arzt zu rufen, oder war Gaspard für eine solche Ausgabe nicht ehrbar genug? D’Uzens hatte ihn unter den Achseln gestützt, bevor er ins Wasser gesunken war. Hatten sich die Männer gefragt, ob er die Mühe wert sei, ihn aus dem Dreck zu ziehen? War es Etienne gerechtfertigt erschienen, ihn zu retten? Gaspard zweifelte am Wert seines Überlebens. Es wäre ein Leichtes gewesen, ihn ertrinken zu lassen, das Gesicht noch ein wenig tiefer gegen die Schilfwurzeln zu drücken, bis sich die Wasserlinsen wie Schimmelpilz über seine Haut verbreiteten. Der Schmerz an seinem Bauch machte sich wieder bemerkbar. Die Wunde schien ein Eigenleben zu besitzen, ohne Grund aufzuwachen oder zu verstummen. Immer wieder spannten sich seine Muskeln unter einem Schauder, und die Körperhaare standen wie Nadeln aus der Haut. Das Laken klebte an seinen feuchten Beinen; ein krankhafter Schweißgeruch ging von ihm aus. Er fühlte ihn bei jedem Atemzug aus seinem Leib, zwischen seinen Achseln aufsteigen und rief ihm die modrige Enge des Kellers von Justin Billods Atelier ins Gedächtnis zurück. Er erinnerte ihn auch an Emmas Geruch auf dem Totenbett. Musste er machtlos zusehen, wie sein Fleisch ihm entglitt? Gaspard schwitzte nicht, er nässte. Seine Wunde sabberte, seine ganze Haut schien Eiter abzusondern, und bald würde der Stoff von breiten Ringen übersät sein. Auf dem Laken würde das Abbild einer Essenz zurückbleiben, die Gaspards Körper nicht länger zurückhalten konnte. Er musste aufstehen, um sich zu vergewissern, dass er
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