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Die Erziehung - Roman

Die Erziehung - Roman

Titel: Die Erziehung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Körpers zu spüren bedeutete, sein Gegenstand und sein Objekt zu werden, seine Fortsetzung, das Utensil seiner Lust. Gaspard verstand, dass der Genuss seinen Höhepunkt erreichte, denn, so von Etienne erniedrigt, verachtet, war er von nun an frei, ohne jede Zurückhaltung alles zu geben, sich loszusagen. Sie rollten übereinander, Gaspard fand sich auf dem wogenden Körper des Grafen wieder, der mit kriegerischer Ausdauer in ihm kam und ging, in der einen Hand sein Glied, die andere fest auf seinen Oberkörper gepresst, der Mund keuchend an seinem Ohr. Gaspard schlug die Lider nieder, um nichts mehr von dem Ort sehen zu müssen, nur noch die Welt zu bewohnen, die Etienne schuf. Die muskulösen Arme um Gaspards Brust umschlossen ihre Beute. Der Bauch erzitterte, spannte sich und wurde noch fester unter seinem Rücken. Ein raues Knurren füllte den Raum, und Gaspard fühlte, wie sich das in ihn gedrängte Geschlecht zusammenzog, während Etiennes Samen sich in seinem Körper ausbreitete und der seine über den Bauch lief. Der Orgasmus warf sie in sein Labyrinth. Lange rührten sie sich nicht, warteten, dass sich ihr Atem beruhigte. Dann zog sich Etienne zurück, und Gaspard ließ sich neben ihn gleiten. Er sah nur noch die undeutliche Linie seines Profils, vergewisserte sich mit einer Hand auf seinem Bauch, dass er noch da war. Als sie sicher waren, dass sie sich wieder gesammelt hatten, standen sie auf und zogen sich, ohne ein Wort zu wechseln, im Schein der Kerzen an, die Gaspard angezündet hatte. Er sah deutlich, dass sich Etienne auf seine Kleider konzentrierte und es vermied, in den Raum zu sehen, als könnte er, war die Lust erst einmal befriedigt, nur noch tiefen Abscheu für diesen Ort empfinden. Gaspard fühlte sich unschlüssig, beobachtete von der Seite die sorgsamen, bestimmten Gesten des Grafen. Die Sicherheit Etiennes zeigte, es bestand überhaupt kein Zweifel, dass die geteilte Intimität in diesem Keller für ihn nichts Außergewöhnliches bedeutete und sein Interesse am Lehrling nachließ, um sich ganz auf das Geschäft des Anziehens zu konzentrieren. Gaspard konnte die Unruhe seiner Hände nur mit Mühe verbergen. Als er sich Etienne hingab, hatte er die Grenzen seiner Ehre überschritten und die vollkommene Gewissheit erlangt, dass der Mann, der aus diesem zerschlissenen Bett aufstehen würde, nicht mehr nur der Perückenmacherlehrling sein würde, der er wenige Augenblicke zuvor noch gewesen war. Etwas war durch dieses blinde Hingabe seines Wesens und seines Körpers tief umgewälzt worden. Als er fertig angezogen war, trat Etienne näher, nahm sein jugendliches Gesicht zwischen die Hände, tauchte seinen Blick in den von Gaspard. »Adieu«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. Gaspard zitterte, unsicher, ob er den Sinn dieses banalen, mit Gefühl gesprochenen Wortes verstanden hatte. »Schon bin ich deiner überdrüssig. Ich hatte mehr erwartet. Du bist viel zu schlaff, viel zu einfach.« Gaspard fiel aufs Bett zurück. Ockerfarben zeichnete sich Etiennes Gesicht in der Dunkelheit ab. Gaspard überlegte, ob er wieder aufstehen, sich an ihn drücken sollte, um ihn zum Schweigen, die Flut von Absurditäten, die aus diesem ketzerischen Mund flossen, zum Versiegen zu bringen. Für einen Augenblick schien es ihm möglich, verführerisch gar, doch die Kerzendochte schillerten, der Raum verdunkelte sich, und die Färbung, die Etiennes Gesicht verklärt hatte, verschwand. Ließ die Wange grau und matt, ein wenig hohl erscheinen. Die Worte waren Wirklichkeit, und der Graf schaute ihn herablassend an. »Na komm schon, hast du etwa nicht erhalten, was du wolltest?«, fragte er. »Nimm es mir nicht übel. Ich bin in diesen kalten Landschaften und nüchternen Häusern, in einer Abfolge von Salons und Kartenspielen groß geworden. Ich habe nie etwas begehrt. Ich hatte nie die Zeit, etwas zu begehren. Allen meinen Wünschen wurde entsprochen, bevor ich sie äußern konnte. Du wolltest den Adel kennenlernen? Da hast du ihn. Der Adel ist die Langeweile, und die Langeweile bringt viele Ungeheuer hervor. Die Lüste muss ich mir selbst schaffen, um mich lebendig zu fühlen. Doch sobald sie befriedigt sind, fangen sie wieder an, mich zu langweilen. Immer und zu jeder Zeit ist es die Langeweile, die mich verschlingt, eine tiefe, unabänderliche Langeweile, die mich auffrisst wie ein Gangrän. Und schon langweile ich mich mit dir.« Gaspard spürte den Abgrund, der sich in seinem Bauch auftat. Er brachte kein Wort

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