Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
über Alternativen zum Einheitsgeld durchaus möglich, ohne dass deshalb die Freundschaft aufhörte.
Welch eine Paradoxie, dass deutsche Kanzler wie Helmut Kohl und Angela Merkel jedes Opfer bringen, um von Frankreich und den südlichen Euro-Partnern geliebt zu werden – und doch entweder schlauen, unter Liebenswürdigkeit versteckten Eigennutz ernten oder Misstrauen, Ablehnung, selbst Hass. Auch wenn Angela Merkel und die deutsche Presse das ignorieren, wird die Situation für Deutschland langsam unerträglich. Bei Besuchen in den Mittelmeerländern erlebe ich, wie die Vorurteile gegen die »arroganten und besserwisserischen« Deutschen sich verstärken, während die Einstellung gegenüber den anderen Nordländern unverändert positiv bleibt. Ungeachtet der Tatsache, dass sie weit mehr als die Deutschen ihren Vorteil suchen.
Ein typisches Beispiel, wie sich ein Nordland verhält, um weder finanzielle Risiken tragen noch die üblichen Wutausbrüche der Südländer erleben zu müssen, bot die finnische Regierung. Bei den letzten zwei Rettungspaketen für Griechenland und Spanien bestand Finanzministerin Jutta Urpilainen auf einer Sonderregelung: Um ihre Bürger gegen jedes Risiko abzusichern, ließ sie sich für ihre Kredite Sicherheiten in Form von Pfändern überschreiben. Athen und Madrid mussten Pfänder – man vermutet Devisen, Gold und Wertpapiere – hinterlegen, damit die Finnen im Gegenzug den Rettungspaketen zustimmten. Aufschlussreich, dass beide Südländer solch demütigendes Verhalten hingenommen haben, ohne zu klagen oder, wie bei Angela Merkel, auf die Barrikaden zu gehen. Und dabei hat Deutschland niemals Pfänder verlangt. Kein Wunder, denn das hätte sämtliche Rettungspakete ad absurdum geführt.
Im Mai 2013 stellte sich heraus, dass Athen versucht hatte, den Deal mit Finnland nicht bekannt werden zu lassen. »Griechenland«, so Jutta Urpilainen, »wollte das geheim halten.« Doch das oberste Verwaltungsgericht der Finnen hat anders entschieden. Die Regierung wurde gezwungen, die Bedingungen des Abkommens von 2012 publik zu machen, wodurch bekannt wurde, dass beide Länder drei Bankkonten eröffnet hatten, auf welche von Griechenland die Sicherheiten in Form von Geld und Wertpapieren eingezahlt wurden.
»Denk ich an Deutschland in der Nacht«, klagte der Dichter Heinrich Heine, »dann bin ich um den Schlaf gebracht.« Ähnlich geht es mir, wenn ich mir vorstelle, dass das Risiko, das die finnische Regierung ihren Steuerzahlern, Sparern, Rentnern erspart hat, von Wolfgang Schäuble den deutschen Steuerzahlern, Sparern, Rentnern »aufs Auge gedrückt« wird. Ohne dass diese sich dagegen wehren können. Ja, sie wollen es nicht einmal, denn man hat sie blind gemacht für die Ungerechtigkeit, die Euroland uns zumutet.
Seit Monaten verfolge ich eine Diskussion in der finnischen Politik, über die nicht von der deutsch-, wohl aber von der englischsprachigen Presse berichtet wird: Euro oder Nicht-Euro? Es gibt bereits eine eigene Anti- EU -Partei, die sich die »Wahren Finnen« nennt und in Umfragen knapp 20 Prozent erreicht – sie ist die Alternative für Finnland, auch wenn sie, im Unterschied zur deutschen Variante, nationalistische Töne anschlägt. Durch ihren Erfolg sehen sich die Euro-Befürworter in die Defensive gedrängt.
Immer mehr finnische Politiker verlieren die Geduld mit der Einheitswährung, und selbst der Ministerpräsident kündigt an: Wenn es uns zu bunt wird, steigen wir aus. Nun ist es ihnen noch nicht zu bunt geworden, weil sie Zugriff auf die bilateralen Pfänder bekommen haben, die zulasten Deutschlands gehen. Die Bundesregierung wiederum sieht dies nicht mit Zorn, sondern, im Gegenteil, mit heimlichem Wohlwollen. Denn ein Ausstieg Finnlands würde für die Deutschen weit gravierendere Folgen nach sich ziehen. Ganz abgesehen von den höheren Kosten, die wir dann bei den Rettungsmaßnahmen zu übernehmen hätten, würden sich auch unsere Bürger fragen: Warum können wir das nicht?
Natürlich wäre die Debatte in Finnland schnell beendet, wenn ein Nord-Euro eingeführt würde, wie ich ihn fordere. So wenig populär diese Idee noch in Deutschland ist, finde ich doch immer mehr internationale Unterstützung. Die seltsame Nibelungentreue, mit der die Deutschen dem Euro anhängen, ist in einigen Euroländern und vor allem in den Nicht-Euroländern längst tiefer Skepsis gewichen. Und allen stellt sich die Frage: Wie soll das weitergehen? Wie viele Löcher sind noch zu stopfen?
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