Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
Anteil unversteuerter Arbeit 20 Prozent ausmachen.
Auf diese Weise werden »arme« Länder reich, ohne dass es in einer Statistik erscheint. Und auch in den Statistiken der Geberländer bleibt es unerwähnt. Entsprechend bieten die »reichen« Länder ihre Hilfsleistungen an, obwohl sie das transferierte Geld möglicherweise nötiger haben als die Empfänger. Wird dieses Spiel über Jahrzehnte ungestört betrieben, sammelt sich tatsächlich erhebliches Vermögen in den Privathaushalten an, dessen Herkunft von niemandem ernsthaft hinterfragt wird. Dazu kommt, dass die deutschen Familienvermögen im letzten Jahrhundert zweimal inflationär vernichtet wurden, was die meisten zwang, jeweils wieder am Nullpunkt anzufangen.
Man darf auch nicht vergessen, dass die nördlichen Länder eine andere Einstellung zur Arbeit und zum Steuernzahlen haben. Es war der große Soziologe Max Weber, der das Standardwerk Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus geschrieben hat, in dem er beide gewissermaßen gleichsetzte – wobei er diesen lutherisch-calvinistisch fundierten Kapitalismus als etwas durchaus Positives betrachtete. Für ihn bildeten Fleiß, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Gerechtigkeitsempfinden das eigentliche Fundament der modernen Marktwirtschaft.
Bis heute kann man in puncto Fleiß und Steuerehrlichkeit die protestantisch geprägten Nordländer deutlich vom katholischen Süden unterscheiden. Auch deshalb fordere ich eine Aufteilung des Euro in zwei Zonen, die sich fast mit denen der jeweiligen Religionstradition decken. Welcher Unsinn zu glauben, man könne die Kulturen einer bestimmten Währung anpassen, wo der umgekehrte Weg nötig wäre, nämlich die Währung den Kulturen anzupassen. Ohne Zweifel hat sich im Mittelmeerraum eine ganz andere Kultur als im Norden gebildet, der es unter anderem leichter fällt, das Leben zu genießen, was mir sehr sympathisch ist. Wobei ich betone, dass ich mich beiden Bereichen zugehörig fühle. Zwar bin ich katholisch erzogen worden, lege aber auf Webers »protestantische Ethik« großen Wert, die für alle Konfessionen gültig sein sollte.
Parallel zu meinen Bemühungen, eine Partei zu finden, die sich für eine neue Euro-Politik starkmacht, habe ich auch Verbündete gesucht. Das heißt, lange musste ich nicht suchen, denn ich hatte das Glück, dass sie auf mich zukamen. In meinem Posteingang tauchte 2012 eine E-Mail von Stefan Kawalec auf. Als ehemaliger Vize-Finanzminister Polens war er dort nach der Wende entscheidend an der Einführung eines marktwirtschaftlichen Systems beteiligt. Er gilt dort als Gehirn und Motor der durch den damaligen Vize-Premier und Finanzminister Leszek Balcerowicz eingeführten Reformen. Das, was Ludwig Erhard nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik erreichte, führten Balcerowicz und Kawalec in Polen ein. Auch Kawalec hatte mein Buch Rettet unser Geld! gelesen und interessierte sich seitdem für den Nord-Euro.
Ende 2012 trafen wir uns mit seinem Mitarbeiter Kamil Kaminski zum Essen im Berliner China Club, und wir sprachen den ganzen Abend über diese Idee. Seinerseits brachte er dabei eine andere Idee ins Spiel, die mich faszinierte. »Ihren Nord-Euro«, so sagte Kawalec, »begründen Sie mit dem Interesse der Steuerzahler im Norden. Warum begründen Sie ihn nicht lieber mit dem Interesse des Südens? Nicht nur aus taktischen Gründen, sondern weil es tatsächlich dem Süden nützt, die starken Länder aus dem Euro zu entlassen.«
Ein gewaltsamer »Rausschmiss« auch nur eines Landes, den ich auch nie gewollt hatte, käme ohnehin nicht infrage, weil sofort ein bank-run einsetzen würde, bei dem die Bürger ihre Euros schnellstens außer Landes bringen würden. Derlei Probleme ließen sich vermeiden, stimmten Kawalec und ich überein, wenn Deutschland und andere Länder ihrerseits austräten – was dem Süden die Chance auf neue Wettbewerbsfähigkeit und auf Wirtschaftswachstum eröffnen würde. Das Motto, unter dem dieses freiwillige Ausscheiden erfolgen würde, wäre »Solidarität mit dem Süden«.
Das Ergebnis unseres Brainstormings fasste Kawalec in Form eines Manifests zusammen, das den englischen Titel European Solidarity Manifesto trug. Kaum wurde es publik, meldeten sich zahlreiche Mitstreiter, die alle unser Manifest unterzeichnen wollten, darunter Brigitte Granville, eine französische Wirtschaftsprofessorin, die in London lehrt und, was man bei ihren Landsleuten nicht häufig erlebt, die wirtschaftliche
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