Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
»Vielleicht nicht«, gab sie zu. »Über solche Dinge darf ich nicht Bescheid wissen. Es wäre unziemlich. Aber ob er ihr jeden Gedanken mitteilt oder nicht: Mutter weiß ohnehin alles.«
Der König lachte. Für ein Mädchen, das ihm kaum bis zur Brust reichte, besaß sie eine gehörige Portion Würde. »Ist sie denn eine Seherin, Eure Mutter? Besitzt sie die Gabe des zweiten Gesichts?«
Doch Catalina ging auf den Scherz nicht ein. »Sie ist weise«, erwiderte sie schlicht. »Sie ist die weiseste Herrscherin Europas.«
Der König hielt es für töricht, das Mädchen weiterhin mit seiner Ergebenheit für die Mutter zu reizen. Zudem wäre es taktlos, darauf hinzuweisen, dass es Isabella zwar geschafft habe, die Königreiche Kastilien und Aragón zu vereinen, jedoch noch lange kein friedliches und vereintes Spanien gestaltet habe. Die taktischen Fähigkeiten Isabellas und Ferdinands hatten aus den maurischen Fürstentümern einen Staat gebildet, doch es blieb noch viel zu tun, bis im ganzen Lande Frieden herrschte. Sogar Catalinas Reise war von maurischen und jüdischen Aufständen behindert worden, denn die Menschen wollten die Tyrannei der spanischen Könige nicht hinnehmen. Er ließ das Thema fallen. »Warum zeigt Ihr uns nicht einen Tanz?«, fragte er, weil er gern sehen wollte, wie sie sich bewegte. »Oder ist das in Spanien auch nicht erlaubt?«
»Da ich eine englische Prinzessin bin, muss ich Eure Sitten und Gebräuche lernen«, erwiderte Catalina. »Würde denn eine englische Prinzessin mitten in der Nacht aufstehen und für den König tanzen, nachdem dieser sich Einlass in ihre Gemächer ertrotzte?«
Heinrich lachte laut auf. »Wenn sie klug ist, dann gewiss.«
Sie warf ihm ein sprödes Lächeln zu. »Dann werde ich mit meinen Damen tanzen«, beschloss sie, erhob sich von ihrem Sitz an dem hohen Tisch und begab sich in die Mitte der Halle. Sie rief eine Dame namentlich auf, Maria de Salinas, ein hübsches, dunkelhaariges Mädchen, das sich sogleich neben Catalina stellte. Drei andere junge Frauen, die zwar schüchtern taten, sich jedoch gern präsentieren wollten, kamen gleichfalls dazu.
Heinrich betrachtete die jungen Frauen. Er hatte die spanischen Herrscher um hübsche Begleiterinnen für ihre Tochter gebeten und stellte nun erfreut fest, dass sie seiner Bitte nachgekommen waren, so unhöflich sie ihnen möglicherweise erschienen war. Die Mädchen waren samt und sonders hübsch, doch keine vermochte die Prinzessin auszustechen. Diese stand vollkommen gefasst da, hob dann die Hände und klatschte einmal, zum Zeichen für die Musiker, dass sie beginnen sollten.
Der König sah sogleich, dass sie sehr sinnliche Bewegungen vollführte. Der Tanz war eine Pavane, ein langsamer Schreittanz, und die Prinzessin bewegte sich mit schwingenden Hüften und halb geschlossenen Augen, auf ihren Lippen lag ein leises Lächeln. Sie war gut geschult; jede Prinzessin an einem königlichen Hof wurde in der Tanzkunst unterwiesen, denn Tanzen, Singen, Musik und Dichtkunst zählten mehr als alle anderen Künste - doch überdies tanzte sie wie eine Frau, die von Musik berührt wurde. Heinrich, der einige Erfahrung besaß, war davon überzeugt, dass die Frauen, die sich vom Rhythmus der Musik wiegen ließen, auch den sinnlichen Rhythmus der Liebe zu erwidern wussten.
Das Vergnügen, sie tanzen zu sehen, wich bald einem zunehmenden Groll darüber, dass dieses köstliche Weib in Arthurs kaltes Bett gelegt werden sollte. Er glaubte nicht, dass sein nachdenklicher, gelehrter Sohn die Leidenschaft dieses jungen Mädchens auf der Schwelle zur Frau würde anstacheln können. Er stellte sich vor, dass Arthur sich ungeschickt anstellen und ihr womöglich sogar wehtun würde. Sie wiederum würde die Zähne zusammenbeißen und ihre Pflicht als Ehefrau und Königin erfüllen, und dann würde sie, ehe man sich's versah, im Kindbett sterben, und der ganze Zirkus der Brautschau musste erneut durchgestanden werden - ohne weiteren Gewinn für ihn als diese lästige Begierde. Es war gut, dass sie begehrenswert war, denn sie würde eine Zierde seines Hofes sein, aber es war doch störend, dass sie auf ihn eine solche Anziehungskraft ausübte.
Heinrich wandte den Blick ab und beruhigte sich mit dem Gedanken an ihre Mitgift, die allein ihm zukommen würde - anders als diese Braut, die ihm die Sinne verwirrte und doch zur Ehe mit seinem Sohn bestimmt war, obgleich die beiden gar nicht zueinander passten. Sobald sie verheiratet waren, würde ihr
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