Die ewige Straße
ich seine Bitte verstünde. Ich sollte es jener Frau geben und keinerlei Fragen stellen.«
»Was bedeutet, daß er es allen zugänglich machen wollte, ohne selbst in Erscheinung zu treten?«
»Ich würde sagen, er wollte nicht, daß es zu seinen Lebzeiten geschieht.«
»Aber warum nicht?«
Flojian zuckte die Schultern. »Ich wünschte, ich wüßte es.« Seine Augen wurden feucht. »Es tut weh, so aus seinem Leben ausgesperrt gewesen zu sein. Ich war sein Sohn, Silas. Ich habe ihm niemals Kummer gemacht. Oder ihm Grund gegeben, mir nicht zu trauen.« Er sah müde aus. »Sieh mal, ich dachte immer, ich würde schon rechtzeitig herausfinden, was in ihm vorging. Ich übte mich in Geduld und wartete darauf, daß er mit mir reden würde. Mir kam nicht ein einziges Mal der Gedanke, er könnte sich darauf vorbereiten zu sterben.«
»Es tut mir leid.«
»Vielleicht hätte ich ihm helfen können, wenn er nur etwas gesagt hätte.«
Sie saßen in abgenutzten, aber bequemen Stoffsesseln und blickten sich über einen Tisch hinweg an. Silas legte die Finger an die Schläfen. »Befand sich in Kariks An u ma irgend etwas Ungewöhnliches?« fragte er.
»Nein. Nur persönliche Dinge. Kleidung. Sein Stift. Sein Stundenglas. Persönliche Dinge eben.«
»Keine Karte?«
»Nein.«
»Kein Tagebuch? Notizbücher? Irgendwelche Aufzeichnungen?«
»Nein. Nur ganz profane Dinge.«
»Bist du sicher?«
Flojian zögerte. Er wich Silas’ Blicken aus. »Ich bin ganz sicher«, sagte er schließlich. »Ich habe die Anuma selbst gepackt.«
Silas starrte ihm unverwandt in die Augen. Flojian wand sich. »Na gut. Es war eine angebliche Kopie der Notizen von Showron Voyager dabei. Allerdings handelte es sich um eine Fälschung.«
Silas spürte einen Anflug von Verzweiflung. »Und du hast sie verbrannt?« Showron war ein Gelehrter aus Baranji gewesen. Nach der Überlieferung war er der letzte Mensch gewesen, der Haven besucht hatte. Er hatte mit den Wächtern Havens gesprochen, hatte ein paar der Manuskripte untersucht und sogar Zeichnungen hinterlassen. »Woher willst du wissen, daß es eine Fälschung war?« fragte Silas.
»Weil mein Vater das Buch benutzt hat, um Haven zu finden. Und er kam niemals bei seinem Ziel an, oder?« Flojian blickte Silas herausfordernd an, in der Erwartung, der alte Mann könnte diese Feststellung anzweifeln. »Glaubst du eigentlich, ich wüßte nicht, welchen Ruf mein Vater hatte? Die Menschen hielten ihn für einen Feigling, weil er als einziger Überlebender von der Expedition zurückgekehrt war. Er mußte damit leben. Ich mußte damit leben.« Er stand auf, trat zum Fenster und starrte auf das Dock hinaus. »Es ist kein Geheimnis, daß ich ihn nicht besonders mochte. Er war tyrannisch, egozentrisch und verschlossen. Er war jähzornig, und er dachte nicht übermäßig über die Gefühle anderer Menschen nach. Du hast ihn ja selbst gekannt.«
Silas nickte.
Flojians Blick war nach innen gekehrt. »Nachdem er zurückgekommen war, zog er sich von mir genauso zurück wie vom Rest der Welt. Er saß in seinem Flügel der Villa und kam so gut wie nie heraus. Das war sein Territorium. In Ordnung. Ich lernte, damit zu leben. Aber ich wäre nicht ehrlich, Silas, wenn ich nicht zugeben würde, daß sein Tod eine schwere Last von meinen Schultern genommen hat.« Er atmete tief durch. »Ich bin froh, daß Karik nicht mehr da ist. Aber egal, was die anderen sagen: Er hätte niemals einen seiner Leute im Stich gelassen!«
Lange Zeit sagte keiner der beiden ein Wort. »Ich bin deiner Meinung«, stimmte ihm Silas schließlich zu. »Trotzdem. Das ist keine Erklärung, woher er den Ya n kee aus Connecticut hatte. Ist dir im Haus oder der näheren Umgebung irgend etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Etwas Ungewöhnliches?«
Verdammter Kerl. War er nach allem tatsächlich so dumm, oder tat er nur so? Verbarg er vielleicht etwas? »Irgendein Hinweis, der uns weiterhelfen könnte. Nach allem, was geschehen ist, hat Karik möglicherweise auch noch andere Dinge im Haus versteckt.«
Flojians Mund wurde schmal. »Es gibt keine weiteren verschollenen Bücher.«
Silas wollte ihm erklären, daß der Mark Twain ein sehr bedeutender Fund war und daß seine Existenz ein großes Rätsel aufgeworfen hatte. Daß die Gelehrten noch in Hundert Jahren nach einer Antwort auf die Frage suchen würden, was hier geschehen war. Wir sind so nah dran, also sollten wir auch ein paar Antworten finden. Doch er wußte, daß seine Worte in Flojians
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