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Die ewige Straße

Die ewige Straße

Titel: Die ewige Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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verjüngte er sich in mehreren Stufen wie eine Zigguratpyramide.
    »Du sagst, du bist kein Geist. Warum können wir dich dann nicht sehen? Wo bist du?«
    »Das ist schwierig zu erklären. Wißt ihr, was Comp u ter sind?«
    »Computer?«
    Die Stimme – Mike – lachte. Es war ein freundliches Lachen. »Avila, wie seid ihr hergekommen?«
    »Ich weiß es nicht. Ein Kutschwagen. Er fuhr durch die Luft.«
    »Waren es mehrere Wagen?«
    »Ja.«
    »Die Maglev. Gut. Zwei funktionieren noch. Ich bin ziemlich stolz darauf. Vielleicht ist es am einfachsten, wenn ihr von mir als der Union-Station denkt.«
    »Union-Station?«
    »Ja. Das ist der Ort, an dem ihr euch befindet. Das wißt ihr doch, oder? Und ich bin die Union-Station.«
    »Du bist das Gebäude?«
    »In gewisser Hinsicht. Man könnte sagen, ich bin se i ne Seele. Das, was dieses Gebäude funktionieren läßt. Beziehungsweise die wenigen Teile, die noch arbeiten.«
    »Dann … bist du ein Geist.«
    Keine Antwort. Avila sah vor ihrem inneren Auge, wie das unsichtbare Wesen die Schultern zuckte.
    »Mike«, fragte sie schließlich, »wie bist du hierher gekommen? Bist du dazu verdammt, an diesem Ort zu spuken?«
    »Ja«, antwortete Mike. »Vermutlich könnte man es so nennen.«
    »Aber wie … wie ist das geschehen?«
    »Ich wurde installiert.«
    »Installiert?« grollte Shannon.
    Avila gelang es nicht, sich einen Reim auf die Antworten zu machen, und sie hatte Schwierigkeiten, die Fragen zu formulieren, die sie interessierten. »Du nennst diesen Ort Station, aber er sieht aus wie ein Tempel. War es vielleicht früher ein Tempel?«
    »Meines Wissens war er nie etwas anderes als eine Station. Ein Bahnhof. Zuerst für Eisenbahnen, dann für die Maglev.«
    »Jedenfalls ist die Station verlassen«, erwiderte Avila. »Und wie es aussieht, schon seit langer Zeit.«
    »Zweifellos.«
    Etwas in der Stimme des Unsichtbaren ließ ihre Seele verzagen. »Wie lange bist du schon hier, Mike?«
    »Ich weiß es nicht genau. Sehr lange.«
    »Wie lange?«
    »Meine Uhren arbeiten nicht mehr. Aber ich war b e reits hier, als die Station noch von Menschen benutzt wurde.«
    »Benutzt? Du meinst, die Straßenbauer haben sie benutzt?«
    »Wer sind die Straßenbauer?«
    »Die Menschen, die diese Station errichteten.«
    »Ich habe diesen Begriff noch nie gehört.«
    »Nicht schlimm«, sagte sie. »Aber du warst hier, als die Große Seuche ausbrach? Ist es vielleicht das, was du uns sagen willst?«
    »Ich war hier, als die Züge eines Tages leer ank a men.«
    »Und wann war das?«
    »Am Montag, dem zehnten April 2079.«
    Das Datum sagte Avila überhaupt nichts.
    »Nicht einmal die Leute, die hier arbeiteten, kamen mehr. Und am Ende der Wochen wurde mir befohlen, die Züge abzuschalten.«
    Der Wind blies gegen die Fenster.
    »Wollt ihr vielleicht sagen, daß es so etwas wie eine Seuche gegeben hat?«
    »Genau«, antwortete Avila.
    »Ich habe mich immer gefragt, was wohl geschehen sein mag.«
    Avila blickte Shannon an. »Das hast du nicht gewußt? Wie kommt es, daß du davon nichts gewußt hast?«
    »Niemand ist je gekommen und hat es mir gesagt.« Eine Weile herrschte Schweigen. »Aber das erklärt n a türlich, warum plötzlich niemand mehr kam. Warum niemals mehr irgend jemand zurückkehrte.«
    Die nächste Frage war Avila unangenehm. Sie stellte sie dennoch. »Willst du damit sagen, du warst die ganze Zeit über allein?«
    »Es gab keine Menschen. Die Erfahrung war alle r dings nicht gänzlich negativ. Ich war imstande, mich konstruktiveren Dingen zuzuwenden, nachdem ich keine Züge mehr steuern mußte. Ich hatte viel Zeit für ung e störte Betrachtungen. Und ich war imstande, engere Verbindungen zu meinen Geschwistern einzugehen.«
    »Geschwistern? Du meinst andere wie dich?«
    »Ja.«
    Das Licht der brennenden Öllache wurde schwächer. »Gibt es sie noch immer?« Avilas Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    »Ich weiß es nicht. Es ist schon so lange her.« Die körperlose Stimme klang schwer vor Bedauern und einer Traurigkeit, die beinahe fühlbar in der Luft lag.
    Avila blickte sich in dem leeren Zimmer um und versuchte, sich den Geist vorzustellen. »Was ist aus ihnen geworden?«
    »Telephonleitungen korrodierten oder brachen. Aut o matische Relais versagten. Elektronik wurde feucht. Es war unausweichlich. Wir hatten Glück, daß die Energi e satelliten funktionsfähig blieben. Die meisten von uns besaßen eine gewisse Fähigkeit zur Selbstwartung und Erhaltung, einige mehr, andere

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