Die Ewigen
einfach nach! Ich zögerte dennoch, betastete erst einmal prüfend die Hämatome am Oberarm und am Hals, wo der Priester mich festgehalten hatte: Sie schmerzten nur noch leicht und sahen aus, als würden sie schon zurückgehen, waren gelblich, nicht mehr Blau oder Violett - das war erfreulich, erstaunlich sogar, dauerte es bei mir doch sonst immer viel länger, bis diese Dinger verschwanden. Aber wie sah eine Stichwunde nach einem halben Tag wohl aus? Fies wahrscheinlich: Geschwollen, blutrot, grob vernäht, vermutete ich, und wappnete mich innerlich für diesen Anblick. Rund um den Verband war die Haut sauber, bis auf eine kleine Menge Goldstaub, den ich mit gerunzelter Stirn wegwischte. Vier Pflaster hielten ein großes Stück Zellstoff fest, ich zog die beiden oberen von der Haut ab, dann klappte ich den Stoff herunter - und griff geschockt mit beiden Händen zum Waschbecken, um nicht umzufallen. Das Keuchen aus meiner eigenen Brust tönte in dem hallenden Bad überraschend laut, es klang erschrocken und erschreckte mich dadurch selbst.
"Shara?" Josie, von weit entfernt.
"Alles Okay", sagte ich automatisch, mit starrem Blick in den Spiegel, "alles oOkay."
Aber das stimmte nicht: Nichts war okay. Mit was hatte ich gerechnet? Mit einer hässlichen Schnittwunde, mit Naht und Blut und Ekel - aber nicht mit ... dem hier. Es gab keine Wunde mehr, und es gab auch keine Naht. Es gab nur ein Kreuz in meiner Haut - ähnlich dem von Jackson und Magnus, allerdings etwas kleiner und mit zwei leicht geschwungenen Bögen an jedem der vier Enden. Eine dicke Schorfschicht folgte den Schnitten - doch das war es nicht, was mich zuerst am allermeisten erschreckt hatte: Das Kreuz war über und über mit Goldstaub bedeckt, das Gold war ... im Schorf, im Schnitt, in meiner Haut, in mir.
Mein Finger zitterte leicht, als ich damit über den Glitter strich - ein wenig blieb daran haften, doch das meiste schien tatsächlich in der Haut zu stecken. Es war unfassbar, trotzdem es war wahr: Sie hatten mir ein Schwingenkreuz in den Körper geschnitten, und es dann mit Goldstaub eingepudert. Meine Beine zitterten wieder, versagten mir den Dienst, ich ging schwankend zur Toilette und ließ mich schockiert auf den Deckel sinken. Ich vergrub den Kopf in den Händen, um das Pochen hinter meinen Augen in den Griff zu bekommen, und rang mit meinem geschockten, gelähmten Gehirn um einen klaren Gedanken, vor allem aber um eine Erinnerung daran, wann das mit dem Kreuz passiert war, wie das mit dem Kreuz passiert war.
"Shara?" Ein leises Klopfen an der Tür.
"Geh weg", flüsterte ich, "geh weg."
Die Tür ging auf, ich hörte das leise Quietschen über meinem panisch pochenden Herzen.
"Shara?" Diesmal lauter, klarer, näher.
Ich hob den Kopf. Josie spähte um den Türrahmen, trat dann schnell ein und schloss die Tür hinter sich.
"Hey, du weinst ja!"
Ich wischte mit der Hand über meine Wange - tatsächlich, sie war nass. Ich hatte es nicht bemerkt, und es war mir egal: Ich saß nackt auf einem Toilettendeckel, meine Haare strotzten vor Blut und meine Brust zierte ein goldenes Narben-Tattoo - da konnte ich mir durchaus ein paar Tränen erlauben, denn noch schlimmer konnte es kaum kommen.
Josie legte ein paar Kleidungsstücke und meine Kulturtasche auf den Rand des Waschbeckens, dann kniete sie sich vor mich.
"Jack hat dir deine Sachen geholt", sagte sie und nahm meine Hände in ihre.
Jack - Jackson. Wunderschöne Augen, voller Angst und Mitleid, mit spitzen Eckzähnen und einem traurigen, tapferen Lächeln, warm in der kalten Dunkelheit des Pantheons.
"Sag ihm Danke, auch für die Geschichte", bat ich Josie leise, doch sie ging nicht.
"Gleich. Was hast du? Warum weinst du?"
Ich richtete mich auf, versucht, ihr meine Empörung laut und ungefiltert entgegenzuschleudern - konnte sie sich das nicht denken? Meine Haare fielen über die Schulter zurück, als ich den Kopf hob, der gelöste Verband wurde sichtbar und Josie erstarrte.
"Mist, Shara! Du hättest das nicht so ... sehen sollen."
Ich lachte bitter auf, riss meine Hände los.
"Ach nein? Wolltet ihr mir erst mit ein paar schönen Worten erklären, warum ihr mich verstümmelt habt? Damit ich nicht so ... schockiert bin?"
Josie stand auf und trat zurück, als sie die Schärfe in meiner Stimme hörte. Sie rieb sich die Hände, als hätte ich ihr durch meine heftige Bewegung wehgetan - wenn dem so war, tat es mir ganz und gar nicht leid: Sie war lieb und fürsorglich und freundlich, aber
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