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Die Ewigen

Die Ewigen

Titel: Die Ewigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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Familie näher zu bringen.
    Er nickte, und als er jetzt sprach, war seine Stimme wieder mild. Mir fiel unvermittelt ein, wie sie geklungen hatte, als sie im Pantheon so nah an meinem Ohr erklungen war: klar und trotzdem sanft, weich und wunderschön. Gänsehautschön.
    "Ich weiß, dass das nicht oft vorkommt", sagte Jackson jetzt, "aber es gibt Menschen, die ihre Familie ansehen und sagen 'so bin ich nicht, hier gehöre ich nicht hin'. Meist bleiben diese Menschen ein Leben lang allein, aber manchmal finden sie eine andere, eine neue Familie. Ich bin so ein Mensch, und ich bin mehr als dankbar, dass ich in diesem Orden Menschen gefunden habe, denen ich mich tief verbunden fühle. Ich glaube, du bist ähnlich wie ich: Du warst eine Fremde in deiner eigenen Familie, hast nie enge Freunde gefunden, nie lange Beziehungen gehabt. Aber weil es bislang so war, muss es nicht immer so bleiben. Auch du kannst eine neue Familie finden - hast sie vielleicht schon gefunden, ohne es zu wissen."
    Ich schluckte, fühlte unvermittelt Tränen in meinen Augen. Das hatte noch niemand zu mir gesagt, das hatte ich noch nicht einmal selber gedacht - und trotzdem war es nur allzu wahr. Ja, ich war allein gewesen, immer schon - gewollt allein, gezielt allein und gleichzeitig so schrecklich allein. Ich senkte den Blick, um diesen hypnotisierenden Augen zu entgehen, um der im Raum hängenden, nie gehörten Wahrheit zu entgehen - da hatte ich in Jacksons Zimmer nach ihm gesucht, und jetzt psychologisierte er mich, machte er mich verlegen und tieftraurig. Ich schüttelte den Kopf, dachte trotzig das, was ich schon immer schulterzuckend gedacht hatte, wenn mich andere Menschen seltsam angesehen, befremdlich reagiert hatten und schließlich gegangen waren: Und wenn schon? Der eine ist so, der andere so - ich bin eben, wie ich bin, haut ab, wenn euch das nicht passt. Ein paar Haarsträhnen fielen mir in die Stirn, und ich sah erschauernd, wie Jackson eine Hand hob und sie zurückstrich, spürte seine Finger federleicht auf meiner Haut. Ich blickte wieder hoch und sah diese Zärtlichkeit in seinem Blick, die ich schon im Pantheon gesehen hatte: Gott, er war so nah, so warm und duftete so süß! Nimm mich in den Arm, beschwor ich ihn - tröste mich, küss mich, streichle mich, ich bitte dich! Doch er rührte sich nicht, kam nicht näher, sah mich nur an - und nach ein oder zwei Minuten, in denen ich mich nicht traute, zu tun, was ich so gern tun wollte, zu sagen, was ich so gern sagen wollte, löste sich sein so schönes und warmherziges Gesicht in einer Miene kühler Geschäftigkeit auf.
    "Verzeih, dass ich dich mit diesen alten Geschichten gelangweilt habe", sagte er, als wäre nicht ich diejenige gewesen, die in seinen Sachen herumgeschnüffelt und ihn mit Fragen bestürmt hatte.
    Ich spürte meine Kleinmädchen-Wangen beschämt rot brennen und wandte mich schnell zum Regal, um alles wieder einzuräumen und die Spuren meiner Neugierde zu beseitigen: Fahrkarte, Geldschein, die Münzen und die kleinen Statuen verschwanden wieder im Kasten. Den goldenen Siegelring legte ich oben auf - verdammtes Ding, hätte ich ihn doch nie angefasst! Jackson ließ mich aufräumen, er rückte während dessen einen Sessel zum Schreibtisch und lud mich mit einer höflichen Geste zum Platznehmen ein, als hätte ich den Raum eben erst betreten, als hätte es die vergangenen paar Minuten und die Vertrautheit, die Nähe, die Sehnsucht in ihnen niemals gegeben. Okay, dachte ich, das kannst du auch: Umschalten auf freundlich-zurückhaltend, umschalten auf 'er ist ja nur ein Fremder'.
    Ich ließ ich mich in den Sessel fallen, Jackson nickte zur Chronik herüber.
    "Drake?"
    "Ja."
    "Wortwörtlich oder sinngemäß?"
    "Sinngemäß", bat ich, ich wollte Jacksons Geduld jetzt nicht mehr überstrapazieren.
    Er schlug das Buch auf und blätterte bis zu Drakes Eintrag.
    "Hat dir Andreas schon von ihm erzählt?", fragte Jackson, während er den Text überflog, mit dem Finger den gleichförmigen, aber oftmals schwer entzifferbaren Buchstaben folgend.
    Dass der schöne Kreuzritter mir diese Frage stellte, zeigte mir, dass auch er nicht ganz unverwirrt aus der Szene eben hervorgegangen war: Die Frage war naheliegend und neutral, aber auch total überflüssig, hatte Jackson doch keine zwei Meter von mir entfernt gesessen, als Andreas mir in Rom von Drake berichtet hatte.
    "Ja", sagte ich. "Dass er mit Andreas und Ciaran in Rom gelandet ist, dass er derjenige war, der sich am meisten für

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