Die Ewigen
Liebling meiner Mutter, sie vergötterte sie und kümmerte sich seit dem Tag ihrer schweren Geburt ausschließlich um ihr Wohl. Mein Vater richtete sein Augenmerk vor allem auf seinen Erben, aber ein wenig der Aufmerksamkeit fiel auch noch für seinen Zweitgeborenen ab, da dieser bei den häufig noch tödlich verlaufenden Kinderkrankheiten eine reelle Chance auf das Erbe hatte. Ich war unwichtig, aus der Erbfolge raus, und das wusste ich nur zu gut. Nachdem mein Privatunterricht beendet war, ließ mir mein Vater die Wahl, entweder als Kandidat im Priesterseminar mein Glück zu suchen und anschließend selbstverständlich den Namen der Familie in Rom bekannt zu machen, oder aber als Verwalter dem einen oder anderen Bruder zur Seite zu stehen. Ich entschied mich ohne Zögern für das Seminar, bot es mir doch die Chance, sofort aus dem elterlichen Haus zu entkommen und die Freiheiten Londons zu genießen. Ich bezog dort eine recht komfortable Kammer, der Unterricht war für mich keine große Sache: Wo die anderen Kandidaten ohne meine feine Vorbildung nachts büffelten, bis die Kerzen ihnen schon in jungen Jahren die Augen verdarben, begriff ich den anspruchslosen Stoff schnell und hatte so viel zu viel Zeit. Aus meinen gelegentlichen Besuchen in London am Tage wurden längere Besuche in der Nacht, und bald wanderte ich nicht mehr durch die eleganten Salons der feinen Etablissements, sondern durchstrich die finsteren Gassen der Cheapside und Southside. Ich machte dort schnell die Bekanntschaft anderer junger Gentleman, die ähnliche ... Neigungen hatten wie ich - allerdings waren diese von Ihren Vätern mit großzügigen Pensionen versehen worden, die ihnen die Türen zu Bordellen und Kneipen öffneten. Ich hatte nur ein bescheidenes Taschengeld, daher suchte ich bald nach einer Methode, mir mehr Geld zu beschaffen. Zum einen begann ich, meiner Familie wieder häufiger Besuche abzustatten - und bei jedem nahm ich mit, was niemand vermissen würde, und verkaufte es für einen schlechten Preis an Hehler. Bei vielen meiner Besuche war das Zimmermädchen ein anderes, auch beklagte meine Mutter immer häufiger das diebische Personal, doch mir kam niemand auf die Schliche, so dreist ich auch war. Da der Weg von London hinaus zum Landsitz meines Vaters bei gutem Wetter eine Tagesreise bedeutete, im Winter jedoch zu einer mehrtätigen Tortur wurde, musste ich mir bald eine neue Quelle für meine Einnahmen suchen. Ich kannte den Ehrgeiz meines Vaters nur zu gut, daher bat ich ihn, mich mit Briefen den besseren Familien der Stadt zu empfehlen, damit ich ihnen meine Aufwartung machen könne. Ich würde mich gern standesgemäß verheiraten, schrieb ich ihm - und er sandte prompt höchst peinliche Schreiben an namhafte Männer und Frauen, sie mögen mir doch die Türen zu ihren Salons öffnen. Nach kurzer Zeit ging ich bei vielen ebenso vermögenden wie einflussreichen Familien ein und aus - und natürlich ging ich stets reicher, als ich gekommen war. Ich wunderte mich zuweilen selbst, welche Reichtümer dort unbeachtet herum lagen: Garnituren silberner Spiegel und Bürsten, Porzellan-Miniaturen, Schnupftabaksdosen, sogar Schmuck - in jeder Schublade gab es genug. Leider hatte ich bei meinen nächtlichen Ausflügen in die dunklen Seiten der Stadt neben den Frauen und dem Alkohol sehr bald eine neue Droge gekostet, diesmal allerdings eine Wirkliche: Ich wurde in kürzester Zeit opiumsüchtig. Mein Geld reichte nicht, um das zu finanzieren - und wo ich meine nächtlichen Trinkgelage im Seminar noch halbwegs hatte verbergen können, ließ mich das Opium nun tagelang vor mich hindämmern, ich versäumte Stunde um Stunde. Es erging ein Brief an meinen Vater, der mir seine Empörung postwendend übersandte. Mir gelang es, ihn zu beschwichtigen - ich würde um eine junge Dame aus bestem Hause werben und mein Augenmerk mehr auf diese günstige Verbindung denn auf meine Studien richten, schrieb ich ihm. Er war beruhigt, sogar erfreut angesichts des Namens, den ich ihm nannte, ich zog mit seiner Erlaubnis aus dem Seminar aus und nahm mir ein Zimmer in der Stadt. Ich bestellte Möbel und Kleidung, die ich nie bezahlte, und wenn ich denn einmal in meinem Bett schlief, dann am helllichten Tag. Die Nacht gehörte nun neben dem Opium auch meinen Raubzügen durch die Häuser, die mir am Tage ihre Türen so bereitwillig geöffnet hatten - Gemälde und großes Silber kann man tagsüber nicht raus schaffen, also kam ich nachts wieder. Einen Monat lang
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