Die facebook-Falle
naiver, fehlerhafter Sprache. Sie benutzt in Chats Abkürzungen und Begriffe wie »voll cool«.
Nach fünf Minuten Smalltalk fordert »Bär75« »Sarahessen« auf, Minirock und Nylonstrümpfe anzuziehen. »Echt jetzt? wieso denn«, fragt »Sarahessen«. »Sieht sexy aus«, antwortet »Bär75« der sich als 35-Jähriger outet, »bist echt was Besonderes«. Nach dreizehn Minuten hat er »Sarahessen« zu einem Treffen überredet. »Was würdest du machen wollen bei treffen was trinken gehen oder einfach spaß haben, Gaudi haben dann« und »kommst du im Minni?«, sagt »Bär75«. Krafft-Schöning verlässt den Chat.
In sozialen Netzwerken bewegen sich Täter wie in einem abgeschotteten, rechtsfreien Raum. Brauchen Erwachsene im realen Leben das Einverständnis der Betroffenen, wenn sie Kinder fotografieren wollen, liegen die Dinge im Internet anders. Denn entweder haben Eltern die Fotos bereits hochgeladen und somit »veröffentlicht«, oder die Kinder tun es selbst. Damit haben die Fotos den Schutz verloren, den sie im realen Leben genießen: Jeder kann sie kopieren, manipulieren und weiterreichen. Und um am Ende eine Urheberrechtsklage durchzusetzen, müssen Eltern erst einmal davon wissen.
»In der Kinderpornografie-Szene ist die Fotomontage ganz üblich«, berichtet Krafft-Schöning. Ein hübsches Gesicht wird einfach auf einen anderen nackten Körper kopiert. Das macht den Nachweis oder die Identifizierung des Opfers nahezu unmöglich. Die Nachfrage nach kinderpornografischem Material ist riesig. Jeden Tag kommen 200 neue kinderpornografische Fotos ins Netz, weltweit sollen es 15 Millionen sein, und Experten schätzen, dass es allein in Deutschland rund 50 000 Konsumenten gibt. 241
Die Quellen für solche Fotos und Montagen werden immer
unerschöpflicher. Pädosexuelle und andere mögen sich an den Bildern nur aufgeilen, ohne selber handgreiflich zu werden, hinter jedem Bild steckt jedoch eine Geschichte. Und selbst Fotomontagen haben immer zwei Opfer: »das Kind, dem der Kopf gehört und das, dem der nackte Körper gehört, sowieso« (Krafft-Schöning). Doch selbst wenn jemandem auffallen sollte, dass ein Bild oder Daten seines Kindes missbraucht wurden, ist es längst zu spät. Denn in seinen Nutzungsbestimmungen erklärt uns Facebook, dass auch Dritte auf Daten zurückgreifen können, die wir offen in Facebook einstellen. »Und keine Sau liest sich die Bestimmungen durch«, sagt die Journalistin.
Am Ende stand die Vergewaltigung
Bereits mit jedem Foto wird Kindern seelischer Schaden zugefügt. Und manchmal enden Kontakte im Chat in purer Gewalt. Als Beate Krafft-Schöning einmal an einer Schule Jugendliche vor laufender Kamera zu ihren Erfahrungen in Chats befragte, betrat eine Schülerin den Raum, die von zwei Freundinnen an den Händen gehalten wurde. Sie erzählte der Journalistin, sie habe im Chatforum Knuddels einen Mann kennengelernt. Der Mann verwies sie auf sein Facebook-Profil, wo er sich mit schönen Fotos und vielen persönlichen Informationen rundweg sympathisch präsentierte. Das Mädchen fasste Vertrauen, und nach einer Weile trafen sich die beiden. Der Mann überredete sie, mit ihm in eine Jugendherberge zu gehen. Dort vergewaltigte er sie. Ein Jahr lang schwieg das Mädchen. Selbst ihrer Mutter erzählte
sie nichts, da sie den Mann heimlich getroffen hatte. »Sie hatte Schuldgefühle, weil sie sich selbst in die Situation gebracht hatte, weil sie sich selbst für den Täter entschieden hatte«, erzählt Beate Krafft-Schöning.
Gewalttäter verstehen es, nicht nur ihr eigenes Image zu manipulieren, sondern auch ihre Opfer. Und sie setzen sie unter Druck. In Fall des vergewaltigten Mädchens hatte der Mann gedroht, sie zu Hause zu finden und ihr etwas anzutun, falls sie reden würde. Das Strafverfahren endete nach einem Jahr wie viele solcher Verfahren. Der Mann wurde nicht verurteilt, weil sich keine Beweise mehr sichern ließen und der Mann bestritt, das Mädchen zu kennen. Die Aussagen des Mädchens über die verübte Gewalt genügten dem Gericht nicht.
Facebook reagiert schleppend
Die New Yorker Staatsanwaltschaft hat im Jahr 2010 auf die Welle von Internet-Übergriffen auf Kinder und Jugendliche reagiert und die Einrichtung einer neuen Datenbank initiiert. 242 Sämtliche registrierten Straftäter erhalten nun ein digitales Profil, das die Justiz sozialen Netzwerken wie Facebook, MySpace oder Flickr zur Verfügung stellt. Decken sich Daten wie beispielsweise die IP-Adresse mit denen des
Weitere Kostenlose Bücher