Die Fackel der Freiheit
Schwarz oder Weiß. Ergibt das irgendwie Sinn?«
Anton nickte. »Ja, durchaus.«
»Also gut. Ich habe die Welt vorher also nur in Schwarz und Weiß gesehen, nachdem ich unter dem Legislaturisten-Regime in einem Slum von Nouveau Paris aufgewachsen bin. Und jetzt stell dir vor, wie wenig man als junger Mann oder junge Frau subtile Feinheiten wahrzunehmen lernt, wenn man hier aufwächst, als Zweier unter der Knute des mesanischen Regimes.«
Gegen seinen Willen verzog Anton gequält das Gesicht.
»Jou«, setzte Victor nach. »Genau das ist das Problem, Anton. Nicht, dass diese jungen Burschen hier zu fanatisch wären. Um ehrlich zu sein, ich kann ihnen ihren Eifer und ihre Inbrunst kein bisschen verübeln. Das Problem ist, dass sie alles eben nur schwarz-weiß sehen. Vergiss die verschiedenen Farben des Spektrums! Die kennen nicht einmal die Farbe Grau, ganz zu schweigen davon, dabei noch Abstufungen zu machen.«
Während Yana zugehört hatte, gruben sich immer tiefere Falten in ihre Stirn. »Das verstehe ich nicht, Victor. Warum interessiert dich das überhaupt? Ist ja nun nicht so, als hättest du noch irgendwelche Zweifel an deren Treue oder Hingabe. Es sei denn, du hättest es dir in den letzten zwei Tagen hier anders überlegt.«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich ihnen nicht trauen würde. Ich vertraue nur nicht ganz auf ihr Urteilsvermögen. Wir sollten nicht vergessen, dass sie schon einmal unsere Mission ziemlich gefährdet haben. Und das ist noch milde ausgedrückt.«
Auf seinem Stuhl am Küchentisch lehnte sich Anton zurück und dachte über Victors Worte nach. Er verstand jetzt, was den havenitischen Agenten beschäftigte. Die kleine Gruppe junger Zweier, mit denen sie sich mittlerweile austauschten - nachdem Saburos Leute den Kontakt hergestellt hatten -, hatte sich als wirklich hilfreich erwiesen. Sie hatten Anton und Victor auf Einheimische verwiesen, die sich in der ganzen Gegend außergewöhnlich gut auskannten, vor allem in Neu-Rostock. Und sie konnten Anton und Victor auch die Hilfe angedeihen lassen, die sie in der Zukunft möglicherweise benötigen würden - je nachdem, wie sich die Dinge entwickelten.
Obwohl sie jung waren und genau die gleiche, recht plan- und wahllose Ausbildung hinter sich gebracht hatten, wie sie alle Zweier erhielten, waren sie doch alles andere als begriffsstutzig oder unfähig. Zu Antons und Victors großer Überraschung hatten sie beispielsweise, nachdem die Gruppe gebeten wurde, ihnen einen leistungsstarken Sprengsatz zu organisieren, nur wenige Tage später voller Stolz eine kleine, ›saubere‹ Atombombe präsentiert. Und es war auch kein behelfsmäßig zurechtgebasteltes Flickwerk. Es war die Art Sprengsatz, der bei Terraformierungsarbeiten verwendet wurde, entwickelt und gebaut von einer bekannten solarischen Firma. Anton und Victor hatten bestenfalls mit etwas Selbstgebasteltem auf der Basis chemischer Sprengladungen gerechnet.
Er lachte in sich hinein. »Das war wirklich was, oder? So im Nachhinein, wo es vorbei ist, ist es schon ganz schön komisch - irgendwie zumindest.«
»Beeindruckend, sagte Anton und betrachtete aufmerksam den Kernsprengsatz. Er bemühte sich nach Kräften, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen.
Doch so ganz war ihm das wohl nicht gelungen, denn er sah deutlich, wie den jungen Heißspornen, im Keller eines bescheidenen Zweier-Hauses, vor Stolz die Brust schwoll. Carl Hansen, ihr inoffizieller Anführer, sagte: »Ein Cousin von ... - ach, die Details sind ja auch ganz egal - hat uns gesagt, er könne einen von denen hier besorgen.«
Anton nickte. Details wollte er sowieso nicht erfahren. »Wie habt ihr das Positionsfunkfeuer deaktiviert?«
Hansens Miene wurde völlig ausdruckslos. Er und die anderen jungen Leute im Raum - David Pritchard, Cary Condor und Karen Steve Williams - tauschten Blicke aus.
»Was ist ein ›Positionsfunkfeuer‹?«, erkundigte sich Williams.
Victor trat einen Schritt von dem Gerät zurück - das würde ihm ja viel helfen! -, und stieß einen tonlosen Pfiff aus. Er war noch bleicher als sonst. Anton war sich recht sicher, dass für sein eigenes Gesicht genau das Gleiche galt.
Vorsichtig - das würde ihm ja viel helfen! - zog er das Com aus der Tasche. Ein kurzer Scan des Sprengsatzes verriet ihm, welchen Port er brauchte.
Für das, was ihm vorschwebte, benötigte Anton eine echte physische Verbindung. Also zog er die selten genutzte Kabelverbindung heraus und steckte sie in den
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