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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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kann. Sie möchte, dass du nach Hause kommst.«
    »Tatsächlich? Wie nett von ihr!« Liza stieß ein bitteres Lachen aus. »Das sieht ihr mal wieder ähnlich, was? Abigail will eine zweite Chance. Abigail will, dass ich nach Hause komme. Abigail, Abigail! Immer dreht sich alles um sie! Abigail will etwas, und dann müssen alle rennen und es ihr beschaffen. Aber diesmal nicht. Abigail tut es leid? Nun, mir tut es wahrhaftig auch leid, aber was sie will, kümmert mich einen Dreck! Und zurück gehe ich auch nicht!« Sie löste sich von mir, drehte sich um und ging zu dem kleinen Tor im Zaun, der das Familiengrab der Burgess umgab. Ich griff nach ihrem Arm.
    »Liza! Warte eine Sekunde! Hier geht es nicht um Abigail, sondern um dich. Sie ist deine einzige lebende Verwandte, das letzte Bindeglied zu deiner Mutter. Ob du es einsiehst oder nicht, und ganz egal, ob es dir nun passt oder nicht, aber du brauchst Abigail.«
    »Nein, tue ich nicht!«, rief Liza, fuhr herum und blickte mich an. Tränen der Wut standen in ihren Augen. »Ich brauche niemanden. Man kann den Menschen nicht vertrauen! Sie enttäuschen einen immer! Immer lassen sie einen im Stich!«
    Ich nickte. »Du hast recht, Liza. Das kenne ich gut. Manchmal verrät dich der Mensch, der dich eigentlich am meisten lieben sollte. Mein Mann hat mich verlassen. Nach achtundzwanzig Jahren fiel ihm ein, dass er mich nicht mehr liebt. Und das hat wehgetan, Liza. Es hat so wehgetan, dass ich mich am liebsten irgendwo verkrochen hätte. Ich wollte nie wieder verletzt werden. Für viele Monate brach ich alle Kontakte ab. Ich saß am Küchentisch und weinte und tat mir selber leid. Das dauerte eine ganze Zeit, doch endlich wurde mir klar, dass ich aufstehen und weitermachen musste. Ich musste es einfach tun, selbst auf die Gefahr hin, zu versagen oder erneut verletzt zu werden. Liza, alles, was das Leben lebenswert macht – Liebe finden, Träume entdecken und verwirklichen –, ist riskant, doch nichts davon können wir allein schaffen. Für diese Erkenntnis habe ich lange gebraucht, doch sie ist wahr.« Lizas Atem kam in kurzen, frostigen Stößen, und ihre Brust hob und senkte sich heftig, als sie versuchte, die Fassung zu bewahren. Ich trat einen Schritt auf sie zu.
    »Ich glaube, das wird Abigail gerade bewusst. Du magst es vielleicht nicht glauben, aber ich finde, du solltest mit nach Hause kommen und dich selbst davon überzeugen. Ihr seid euch sehr ähnlich, du und deine Tante Abigail. Und du bist in Gefahr, in die gleiche Falle zu tappen, in der sie seit vielen Jahren steckt. Du sonderst dich von allem ab, was im Leben wichtig ist – von der Familie und Freunden –, und nimmst dir damit selbst die Möglichkeit, Liebe und Glück zu finden. Und das alles nur aus Angst, verletzt zu werden. Du sagst, du hasst Abigail. Trotzdem bist du im Begriff, genau die gleichen Fehler zu machen wie sie. Komm mit mir zurück, Liza, und hör zu, was Abigail dir zu sagen hat. Nicht um ihretwillen, sondern um deinetwillen.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das kann«, flüsterte Liza. »Es tut so schrecklich weh.« Sie hob den Kopf und blickte über den schneebedeckten Friedhof, auf dem sich Reihe um Reihe die Grabsteine erstreckten. »Manchmal wünschte ich, es wäre alles vorbei.«
    Ihre Augen blickten so müde und traurig. Es waren viel zu alte Augen für ein so junges Gesicht. Mir tat das Herz weh vor Mitleid.
    »Ich weiß«, sagte ich. »So war mir auch schon zumute. Da wollte ich am liebsten aufgeben. Doch ich bin froh, dass ich es nicht getan habe. Denn dann hätte ich dich nie kennengelernt, und darauf hätte ich nur ungern verzichtet. Wir sind nicht fürs Alleinsein gemacht, Liza. Jeder Mensch braucht jemanden, den er mag und der ihn mag. Wir brauchen jemanden, mit dem wir alles teilen, mit dem wir lachen können und der uns anschreit, wenn wir etwas ausgefressen haben.« Lächelnd wischte ich Liza eine Träne von der kalten Wange. »Jemanden, mit dem wir in ein Akkordeonkonzert gehen können.«
    Liza schniefte und brachte ein schiefes Lächeln zustande, bevor die Verzweiflung sie erneut überwältigte. Sie wandte das Gesicht ab und bedeckte es mit den Händen. »Evelyn, du bist so lieb zu mir. Du bist wie … du erinnerst mich so sehr an Mom.«
    »Danke, Liza. Das ist vermutlich das netteste Kompliment, das ich jemals bekommen habe.«
    »Ich weiß nicht, vielleicht hast du ja recht, und ich sollte wirklich zurückgehen und Abigail zumindest anhören. Aber versprichst du mir dafür

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