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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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etwas?« Sie blickte mich prüfend an, als wollte sie sichergehen, dass ich es auch ernst meinte.
    »Ja, wenn ich kann«, erwiderte ich.
    »Stirb nicht, Evelyn! Bitte! Ich habe dich so gern. Wirklich! Ich weiß, ich war in den letzten Wochen nicht immer besonders nett zu dir. Seit du uns von deiner Operation erzählt hast. Es ist nicht deine Schuld, aber manchmal komme ich nicht dagegen an. Dann werde ich so wütend auf dich. Und auch auf Abigail. Auf jeden. Es tut mir leid, Evelyn. Es tut mir so leid.«
    »Das weiß ich, und ich kann dich verstehen. Das können wir alle.«
    Liza schluckte schwer und nickte erleichtert. »Gut«, sagte sie. »Das ist gut. Nun denn!« Sie straffte die Schultern und machte einen Schritt, als wollte sie aufbrechen.
    »Das geht nicht, Liza«, sagte ich. »Ich kann dir nicht versprechen, dass ich nicht sterben werde. Solche Versprechen, die im Grund genommen Wünsche sind, geben nur Kinder. Und du bist kein Kind mehr, Liza. Du weißt, dass es Dinge gibt, die sich durch alles Wünschen nicht verhindern lassen. Und das hier gehört dazu.«
    Liza ließ die Schultern erneut hängen. Sie schaute mich an, dann blickte sie wieder auf das Grab ihrer Mutter. »Ich weiß.«
    Ich griff nach ihrer Hand. Sogar durch den Stoff ihrer schwarzen Handschuhe hindurch fühlten sich Lizas Finger eiskalt an. Ich legte beide Hände um ihre, um sie zu wärmen. »Ich will nicht sterben, Liza. Deine Mutter wollte auch nicht sterben. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sie weiterleben wollte, um zu sehen, was für eine wundervolle junge Frau aus dir wird. Doch ihre Krankheit wurde einfach zu spät entdeckt. Das ist nicht gerecht, aber so war es nun einmal, und niemand hatte Schuld daran. Solche schlimmen Dinge passieren; wir können nichts daran ändern.«
    »Ich weiß«, wiederholte sie traurig.
    Ihre Miene wirkte erschöpft und resigniert. »Ich kann nur nicht verstehen, warum das Leben manchmal so ungerecht ist.«
    »Ja, das versteht keiner auf der Welt.« Ich lächelte. »Aber eins kann ich dir versprechen. Ich werde alles, was in meiner Macht steht, unternehmen, um diesen blöden Krebs zu besiegen und noch ein langes, schönes Leben zu haben. Wenn es nach mir geht, werde ich noch einen Quilt zu deiner Hochzeit nähen und zur Geburt deiner Kinder und Kindeskinder. Also gib mich bloß noch nicht auf, Liza. Ich bin eine Kämpfernatur!«
    Ihre Mundwinkel zuckten leicht. »Das glaube ich gern.«
    »Ist auch besser so; ich meine es nämlich ernst! Ich werde mit voller Kraft gegen diesen Krebs kämpfen – oder mit vollem Busen, wenn’s sein muss.« Angesichts meines misslungenen Scherzes verdrehte Liza die Augen, aber das störte mich nicht. Hauptsache, sie lächelte wieder. »Und dabei kann ich jede Hilfe gebrauchen. Verstehst du, was ich meine? Ich erwarte von dir, dass du mir die ganze Zeit über zur Seite stehst.«
    »Das mache ich«, sagte sie und drückte meine Hand.
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    Im Auto drehte Liza die Heizung voll auf, bevor sie die Handschuhe auszog und ihre halb erfrorenen Hände in den warmen Luftstrom hielt. »Ist das angenehm!«
    »Zieh die Stiefel auch aus«, riet ich ihr. »Auf dem Rücksitz liegt eine Wolldecke. Nimm sie und wickle deine Füße darin ein.« Folgsam zog sich Liza Stiefel und Strümpfe aus. Ihre Füße waren vor Kälte hochrot.
    Ich schnalzte mit der Zunge. »Oje, sieh dir das an! Du hattest Glück, dass du dir keine Frostbeulen geholt hast. Wie bist du überhaupt nach Winthrop gekommen? Sag nicht, du bist den ganzen Weg gelaufen. Das sind doch mindestens dreißig Kilometer.«
    Liza schüttelte den Kopf. »Nein. Zuerst ging ich in die Stadt. Ich wusste nicht so recht, wohin, doch plötzlich stand ich vor der Bücherei. Ich ging hinein, weil es dort warm war, und blieb, bis sie zumachten. Dann beschloss ich, per Anhalter hierherzufahren. Ein Typ in einem Pick-up hielt gleich an und nahm mich mit.«
    Kein Wunder, Liza war schließlich bildhübsch. Trotz der klobigen Stiefel und der Winterjacke konnte sie mit ihrem Gesicht und ihrer Figur den Verkehr zum Erliegen bringen – was sie in diesem Fall ja auch getan hatte. »Liza«, schimpfte ich, »du bist einfach zu einem Fremden ins Auto gestiegen? Was hast du dir bloß dabei gedacht?«
    Sie zuckte die Achseln und antwortete ein wenig kleinlaut: »Wahrscheinlich gar nichts, nehme ich an. Es war wohl nicht die beste Idee, die ich jemals hatte. Zuerst kam mir der Typ wirklich nett vor. Er fuhr mit mir bis nach

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