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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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nicht? Dann fahr doch bitte dort vorbei und sieh nach. Ich mache mich jetzt in Richtung Süden auf.«
    »Kein Problem. Abigail und ich fahren sofort hin. Ich lasse mein Handy an. Melde dich, wenn du sie gefunden hast.«
    »Mache ich. Und du auch. Danke, Margot.«
    Es hatte wieder zu schneien begonnen, und die Straßenverhältnisse waren miserabel. Erst weit nach Mitternacht kam ich zu der Adresse, die Abigail mir gegeben hatte. In diesem Haus hatte Liza mit ihrer Mutter gewohnt. Den ganzen Weg über hatte ich gebetet, dass Liza auf der Schwelle ihres ehemaligen Zuhauses sitzen möge, doch sie war nicht dort. Also fuhr ich durch das Viertel und danach in Richtung Stadtzentrum, wo Lizas alte Schule lag und das Krankenhaus, in dem Susan nach Abigails Aussage gestorben war, doch von Liza war weit und breit nichts zu sehen.
    Schließlich rief ich die anderen an, und wir beschlossen, es für heute Nacht gut sein zu lassen. Margot wollte mit zu Abigail nach Hause fahren und dort übernachten. Wir hofften noch immer, dass Liza von selbst wieder auftauchen würde. Ich wollte zu mir nach Hause und zusehen, dass ich ein paar Stunden Schlaf bekam, bevor ich morgen früh um halb acht wieder bei Abigail erscheinen würde. Falls Liza dann immer noch nicht wieder da war, mussten wir uns überlegen, die Polizei einzuschalten.
    Auf meinem Rückweg nach New Bern schneite es noch stärker. Unablässig und eintönig wirbelten die dicken Schneeflocken gegen meine Windschutzscheibe, bis ich mir vorkam wie gefangen auf einem endlosen Laufband inmitten einer sich drehenden Kulisse aus Schnee. So schnell ich auch fuhr, ich schien dennoch nicht vom Fleck zu kommen. Ich war so müde, dass ich mich mit ganzer Kraft darauf konzentrieren musste, den Wagen durch das dichte Schneetreiben zu steuern. Etwa fünfzehn Kilometer vor meinem Ziel ließ der Schneesturm nach, und meine Gedanken kehrten zu Liza zurück. Wo mochte sie nur sein?
    Ich überlegte noch einmal, welche Orte sonst noch infrage kämen, doch mir fiel nichts mehr ein. Mir war bewusst, dass ich alles Menschenmögliche getan hatte, und mein erschöpfter Körper sehnte sich nach Ruhe und ein paar Stunden Schlaf. Doch mein Geist war nach wie vor unruhig.
    Es ist einfach so frustrierend, dachte ich. Da habe ich nun die halbe Nacht damit verbracht, nach Liza zu suchen, bin durch den ganzen Staat gefahren, und jetzt stecke ich in einer Sackgasse.
    Eine Sackgasse.
    Das war es! Die Ausfahrt nach New Bern tauchte auf, doch ich trat aufs Gaspedal und raste daran vorbei, in Richtung Norden nach Winthrop, einem verschlafenen Nest wenige Meilen vor der Grenze nach Massachusetts. Ich war noch nie dort gewesen, dennoch war ich mir ganz sicher: Wenn ich Winthrop fand, würde ich auch Liza finden.
    Die Tore standen offen, doch der Wind hatte hohe Schneewehen aufgetürmt, und da ich nicht riskieren wollte, auf der ungeräumten Straße stecken zu bleiben, stellte ich den Wagen vor dem Friedhof ab.
    Beim Aussteigen bemerkte ich, dass der Schnee nicht so unberührt war, wie es den Anschein gehabt hatte. Jemand hatte einen Pfad getreten, durch die Eingangstore des Friedhofs und den Hauptweg entlang, vorbei an den alten, halb verfallenen Grabsteinen, die mit der Zeit so verwittert waren, dass man die Inschriften nicht mehr lesen konnte. Nur dass diejenigen, die hier ruhten, einst die »geliebten …« von jemandem gewesen waren, ließ sich noch erkennen.
    Ich folgte den Fußstapfen durch eine Gruppe von Tannen, auf deren Zweigen der Schnee im ersten Morgenlicht glitzerte, und gelangte in die neueren Bereiche des Friedhofs, wo diejenigen, die im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert gelebt hatten, die Auferstehung erwarteten. Schließlich kam ich zu einem etwas abgelegenen Platz, wo, umgeben von einem niedrigen schmiedeeisernen Zaun, eine Gruft aus grauem Marmor stand. Sie trug die Inschrift »Burgess«.
    Vor der Gruft stand Liza, ganz in Schwarz gekleidet und mit gesenktem Kopf. Da der Schnee meine Schritte dämpfte, hörte sie mich nicht kommen.
    »Liza?« Das kleine Tor quietschte, als ich es öffnete und an die Grabstätte der Familie Burgess trat.
    Liza drehte sich um. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet und hatten dunkle Ringe. Sie fragte nicht, wie ich sie gefunden hatte.
    »Ist alles in Ordnung, mein Schatz? Du musst doch halb erfroren sein. Wir haben uns alle solche Sorgen um dich gemacht, besonders Abigail.«
    »Sicher.« In ihrem Ton schwang nichts von dem Sarkasmus und der Überheblichkeit mit,

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