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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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gern das Gästezimmer überlassen hatte, bestand Mutter nun darauf, dass er im Gartenschuppen schlief.
    »Ich will nicht, dass ihr beide im ganzen Haus herumhüpft und euch vor den Augen deiner Schwester wer weiß wie aufführt«, erklärte Mutter. »Susan soll nicht auf dumme Gedanken kommen. Nicht so wie du«, fügte sie mit einem Blick hinzu, in dem ihre geballte Enttäuschung über mich lag.
    Ich wollte ihr gerade eine passende Antwort geben, doch David fiel mir ins Wort. Er dankte Mutter überschwänglich und bot ihr an, als Gegenleistung für ihre Freundlichkeit im Sommer das Haus neu zu streichen. Mutter nahm das Angebot an – das Haus benötigte dringend einen neuen Anstrich –, doch ich konnte sehen, dass sie noch immer nicht von ihm eingenommen war.
    An einem Julitag schloss das Museum früher, weil ein heftiges Unwetter tobte. Ich ging geradewegs nach Hause, um das Essen zu kochen, bevor Mutter von der Arbeit kam. Vielleicht würde das ihre Laune heben. Triefnass vom Regen lief ich ins Haus und rief nach Susan, doch sie antwortete nicht. Da nahm ich an, dass sie zu einer Freundin gegangen war. Froh darüber, dass David und ich das Haus für die nächsten drei Stunden, bis Mutter kam, für uns allein hatten, schnappte ich mir eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank und dazu zwei Gläser und rannte zu David in den Garten-schuppen.
    Er lag nackt auf dem schmalen Metallbett, das wir auf dem Speicher gefunden und neu gestrichen hatten. Susan war bei ihm.
    Es gab Tränen und dramatische Szenen, an die ich gar nicht mehr denken möchte. Und das Ende vom Lied? Ich machte mich in Davids alter Klapperkiste auf den Weg zu Woolleys Büro und erklärte ihm, dass ich ihn nicht liebte und vermutlich niemals lieben würde. Doch wenn er mich noch haben wollte, würde ich ihn heiraten.
    Zwei Wochen später war die Hochzeit. Woolley wünschte sich eigentlich eine kirchliche Trauung, doch ich bestand darauf, dass wir nach Reno durchbrannten. Ich wollte ganz allein heiraten, ohne meine Familie.
    In unserem Haus in Winthrop verbrachte ich keine einzige Nacht mehr. Wenn ich meine Mutter sprechen wollte, trafen wir uns an einem neutralen Ort, denn ich wollte nicht daran erinnert werden, was in dem Haus geschehen war.
    Gegen den Willen meiner Mutter zog Susan mit David zusammen, so wie ich zuvor. Ich nehme an, sie liebte ihn genauso, wie ich es getan hatte. Das arme Ding. Sie verdiente viel eher mein Mitleid als meinen Zorn, doch das erkannte ich damals nicht.
    Siebzehn Jahre lang sah und hörte ich nichts von Susan, dann starb Mutter. David besaß Gott sei Dank so viel Anstand, der Beerdigung fernzubleiben, doch Susan nahm daran teil. Wir fühlten uns unbehaglich, begegneten uns jedoch mit Höflichkeit. Und trotz allem, was vorgefallen war, fühlte ich mich seltsamerweise erleichtert, sie wiederzusehen. Doch ich machte mir auch Sorgen um sie. Sie war erst vierunddreißig, wirkte jedoch alt und müde. Ich musste immerzu an sie denken.
    Einen Monat später fasste ich mir ein Herz und rief sie an, unter dem Vorwand, dass Mutter ihr ein wenig Geld hinterlassen hätte und ich nicht wüsste, wohin ich den Scheck schicken sollte.
    In Wahrheit hatte Mutter gar nichts hinterlassen. Doch auf der Beerdigung waren mir Susans abgetretene Schuhe und der fadenscheinige Mantel aufgefallen. Ich vermutete, dass David ebenso wenig für meine Schwester sorgte wie seinerzeit für mich. Als ich am Telefon den Scheck erwähnte, weinte Susan vor Freude. Das bestätigte meine Vermutung, dass sie dringend Geld brauchte. Ich war noch immer nicht bereit, ihr wirklich zu verzeihen, doch die Vorstellung, dass sie nicht genug zu essen hatte oder womöglich obdachlos wurde, weil sie die Miete nicht bezahlen konnte, war mir unerträglich.
    Danach telefonierten Susan und ich noch dreimal miteinander, und jedes Mal waren wir etwas weniger verlegen. Ich glaube, mit der Zeit hätten wir uns wieder versöhnt, doch dann geschah etwas …
    Susan und David lebten siebzehn Jahre lang zusammen. Schließlich, ebenso wie ich damals, wurde Susan schwanger.
    Doch im Gegensatz zu mir weigerte sie sich, das Kind abtreiben zu lassen. Daraufhin ließ David sie sitzen.
    Danach sprach ich nie wieder mit ihr. Wie du siehst, war es letzten Endes weder ein Mann noch ihr Verrat, der uns trennte. Ich selbst war es – meine Scham, mein Stolz und mein entsetzlicher Neid. Dass sie mir David gestohlen hatte, hätte ich ihr irgendwann vergeben, doch was ich ihr niemals vergeben konnte,

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