Die Fäden des Schicksals
versehentlich das Einwickelpapier ein.
»Macht nichts«, sagte Liza. »Reiß es einfach auf. Soll ich dir helfen?«
Ich nickte, und gemeinsam wickelten wir die große Schachtel aus. Dann nahm Liza den Deckel ab. Vor Überraschung schlug ich die Hand vor den Mund und flüsterte atemlos: »Oh, wie schön! Ach, Mädchen! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Das ist der schönste Quilt, den ich je gesehen habe. Und den habt ihr gemacht? Ihr drei?«
Alle drei Frauen strahlten, doch Abigail antwortete als Erste: »Es war Margots Idee, doch wir haben gemeinsam daran gearbeitet. Dafür mussten wir uns ein paarmal ohne dich treffen, aber wir dachten, das würde dir nichts ausmachen.«
»Nein, überhaupt nicht«, erwiderte ich.
Es war ein schöner Quilt. Da sie wussten, wie sehr ich kräftige Farben liebte, hatten sie sich für leuchtende Grün-und Pinktöne entschieden und sie mit überraschenden Akzenten aus schwarzem und weißem Stoff kombiniert, wodurch die Farben noch satter wirkten. Es waren so fröhliche Farben. Das Muster war traditionell, doch ungewohnt modern aufgefasst. Die Musterblöcke zeigten in Streifentechnik ausgeführte Patchworkherzen in verschiedenen Pinktönen, umrahmt von maigrünem und schwarzem Stoff. Alles in allem waren es acht vollständige Herzen, willkürlich auf dem grünen Untergrund verteilt, und daneben – was besonders interessant wirkte – mehrere Blöcke mit halbierten Herzen, ebenfalls in unregelmäßigen Abständen zueinander. Einige von ihnen saßen einsam und allein in dem Grün, andere enger, doch nicht gänzlich, beieinander, als näherten sich die halben Herzen an, um wieder eins zu werden.
Ich fuhr mit dem Finger den Umriss eines der Herzen nach. »Es ist so unglaublich schön. Wo habt ihr das Muster her? So etwas habe ich, glaube ich, noch nie gesehen.«
»Kannst du auch nicht«, erwiderte Margot. »Liza hat es nämlich entworfen. Ist es nicht toll?«
Liza senkte bescheiden den Kopf. »Ich habe es einfach irgendwann mal aufgezeichnet«, sagte sie. »Entwerfen kann man das gar nicht nennen; es war nur so eine Kritzelei.«
»Aber natürlich hast du es entworfen«, entgegnete Abigail ein wenig ungeduldig. »Du hast dich hingesetzt, dir ein Thema ausgedacht und danach das Muster gezeichnet. So machen es die Designer doch auch. Sei nicht so dumm. Nichts ärgert mich mehr als falsche Bescheidenheit.«
Liza wandte sich ein wenig ab und verzog das Gesicht. »Von mir aus«, sagte sie achselzuckend und fuhr fort: »Jedenfalls dachte ich dabei an uns, an unsere Quiltrunde und an das, was uns allen gemeinsam ist. Das hat mich auf die Idee gebracht. In gewisser Hinsicht hat uns allen jemand das Herz gebrochen. Aber dann haben wir einander darüber hinweggeholfen. Das heißt nicht, dass jetzt alles wieder gut wäre. Wir müssen uns noch immer mit Problemen herumschlagen, aber nach und nach helfen wir uns gegenseitig, wieder heil zu werden. Versteht ihr, was ich meine?«
»Ja«, sagte ich leise. »Ich verstehe, was du meinst.«
Liza errötete, als sie merkte, dass alle im Zimmer ihren Ausführungen gelauscht hatten. »Na ja, so habe ich es mir jedenfalls gedacht. Ich habe das Muster ›Gebrochene Herzen werden heil‹ genannt.«
»Ich finde es wunderschön«, sagte ich mit Nachdruck und blickte meine drei Freundinnen an. »Abgesehen von eurer Freundschaft ist das hier mit Abstand das schönste Geschenk, das ich jemals bekommen habe. Vielen, vielen Dank.«
Eine fast brennende Wärme breitete sich in meiner Brust aus, doch sie kam nicht von der Operation. Es war Dankbarkeit. Liza hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Wir alle litten an gebrochenem Herzen, doch gemeinsam, indem wir einander halfen und unterstützten, waren wir auf dem Weg der Besserung, jede auf ihre Art und in ihrem eigenen Tempo. Für mich war es ein wahrer Segen, dass ich solche Freunde gefunden hatte, gerade jetzt, wo ich sie am nötigsten brauchte.
Mein armer geschundener Köper schmerzte zu sehr für eine Umarmung. Daher fasste ich meine Freundinnen bei den Händen. »Ihr seid die Besten«, sagte ich.
Da ging die Tür auf, und eine Schwester brachte den größten, protzigsten und, offen gestanden, scheußlichsten Blumenstrauß herein, den ich je gesehen hatte. Er bestand aus Nelken in drei verschiedenen Rosatönen, mindestens einem Dutzend blutroter Rosen im Verein mit mehreren riesigen orangefarbenen Lilien. Und das Ganze war zu allem Überfluss noch mit einem großen knallbunten Paradiesvogel garniert.
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